Es wäre oft hilfreich, künftige Geschehnisse zu bemerken, bevor sie eintreffen. In der Ökologie ist das durch die Beobachtung besonders sensibler Lebensräume möglich. Kleine Veränderungen nehmen vorweg, was sich später im Grossen zeigt.
Das gilt zum Beispiel für die Veränderungen in den Alpen. Die Auswirkungen der Klimakrise zeigen sich dort bereits vehement: Einschränkungen oder gar der Verlust der Lebensräume für bestimmte Pflanzenarten, die Zunahme instabiler Felsformationen und damit auch die Bedrohung von uns Menschen. Als hochspezialisierte und eigentümlich fragil zivilisierte Spezies sind wir noch empfindlicher geworden.
Unsere Zivilisierung offeriert uns aber auch eine grosse Chance.
Wir können den veränderten Blick auch im künstlerischen Sinn üben – er macht Kommendes ebenfalls sichtbar. Diesen Weg wählten die in diesem Heft vorgestellten Künstlerinnen und Künstler. Sei es in den kargen Hochalpen an der Grimsel oder bei entfremdeten Fotosessions in Afrika: Wir lernen, die Umwelt anders zu sehen und neue Schlüsse zu ziehen.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie erfahren, dass es die glibberigen Quallen sind, die uns Menschen bei der Anpassung an die Klimaerwärmung gerade den Rang ablaufen? Das passiert nicht auf der Langenthaler Bahnhofstrasse, sondern weit weg, draussen im Meer. Mit den Worten einer australischen Meeresbiologin: «Wir sind in der verrückten, unerwarteten und unverständlichen Situation, dass wir im Wettbewerb mit den Quallen stehen. Sie sind dabei, zu gewinnen.»
Greenpeace Schweiz sieht sich in einer ähnlichen Situation. Wir stehen in Konkurrenz mit vielen anderen NGOs, bei den Spenden wie der erhofften Aufmerksamkeit. Auch unsere Organisation hat eine unsichere Zukunft vor sich. Darauf könnten wir mit «Mehr vom Gleichen» reagieren, wie der Philosoph Paul Watzlawick die gängige menschliche Problemlösungsstrategie beschreibt. Er bringt als Beispiel eine Steigerung der altbewährten Charmeoffensive, wenn einem die geliebte Person zu entgleiten droht. Es könnte auch mehr Unterdrückung und Ausrottung der Natur sein, wenn es um die versuchte Bewältigung von Umweltkrisen geht. Drein- und draufschlagen ist ein bewährtes Lösungsmuster. Bei Greenpeace könnte die bisherige Lösungsstrategie mit noch mehr spektakulären Auftritten falsch sein, auch wenn die Aktionen der Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten natürlich toll sind. Aber vielleicht gilt es auch für uns, im Heute wie in der Zukunft, neuen Ein- und Ausblicken entgegenzusteuern, die auf unbekannte Wege führen.
Wir suchen einen neuen Weg der Auseinandersetzung mit brisanten Umweltthemen und ihren gesellschaftlichen Hintergründen in der Schweiz – und damit auch mehr Einbezug, Auseinandersetzung und Engagement mit Ihnen. Der globale Blick und die clevere Vernetzung von Kontinent zu Kontinent müssen bleiben, denn nur gemeinsam retten wir die Umwelt und unsere eigene Haut.
Lassen Sie uns den anderen Blick üben – im Alltag, im Umgang mit Fremden wie Befremdlichem. Auf eine neue Begegnung mit Greenpeace.
Mit grossem Dank
Kaspar Schuler, Geschäftsleiter a. i.
PS: Meine erneute Zeit bei Greenpeace neigt sich dem Ende zu. Ich wurde letzten Herbst als Interims-Geschäftsleiter an Bord geholt, Mitarbeiterschaft und Stiftungsrat stellten sich einem Personalabbau und einer Reorganisation. Demnächst wird eine neue, definitive Geschäftsleitung auf die Kommandobrücke kommen. Ich danke allen und speziell Ihnen, unseren treuen Supportern, für das vielfach geäusserte Vertrauen und die Unterstützung. Sie berühren und sind wertvoll, erst recht auf einem Schiff in schwerer See. Adieu!