Chinesische Kinder, über und über mit Kohle­staub bedeckt. Früchte in den Händen eines Arbeiters – vergiftet. Krater, die wie Pockennarben eine ehemals fruchtbare Ebene verunstalten. Der von Industrie­kaminen geschwärzte Himmel Chinas. Man kennt diese Bilder, man weiss um diese Realitäten. Aber kaum jemand bringt sie uns so nahe wie Lu Guang.

Der Greenpeace-Fotograf Lu Guang hat mit seinem Langzeitprojekt «Entwicklung und Verschmutzung» 2015 den dritten Preis des renommierten World Press Photo Award gewonnen.

Das Projekt dokumentiert Chinas Weg zur zweitgrössten Weltwirtschaftsmacht besser, als es Zahlen je könnten. Seine Bilder zeigen ein Land, das 67 Prozent seiner Energie aus Kohle bezieht, für mehr als die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen der letzten zehn Jahre verantwortlich ist und dessen Feinstaubwerte in der Innenstadt nicht selten das 16-Fache des zulässigen Grenzwerts der WHO (World Health Organization) beträgt. Die Sicht reicht oft nicht mehr als 500 Meter weit. «Airmageddon» nennt die Presse diesen Zustand.

In einem Land mit einem starken politischen Kontrollapparat braucht es Menschen wie Lu Guang. Jemand, der die Wahrheit dokumentiert und verewigt, so dass niemand sie in Abrede stellen kann. Lu Guang wurde mitten in Mao Tse-tungs Kulturrevolution hineingeboren, in ein unbeugsames, totalitäres China, ohne jede Möglichkeit, den Blick nach aussen zu wagen. Mit 19 hielt er das erste Mal eine Kamera und damit seine grosse Passion in den Händen. Trotzdem dauerte es noch über zehn Jahre, bis der Fabrikarbeiter sich selbständig machte und neben seinem Beruf die Akademie der schönen Künste an der Tsinghua-Universität in Peking besuchte.

Seither ist die Kamera Guangs Eintritts­karte in die Wirklichkeit. Er sieht es als seine Verpflichtung, «die Wahrheit festzuhalten und öffentlich zu machen und die Situation der Menschen zu verändern», wie er sagt. Das gehört in China zu den mutigsten Dingen, die man tun kann. «Auch wenn sie mich aufhalten wollen und versuchen, meine Bilder zu verhindern», erzählt Guang. «Aber bis jetzt ist mir noch nie etwas passiert. Also mache ich weiter.»

Niemand könnte das Leid dieser Menschen, die unendliche Trostlosigkeit der Zerstörung ihrer Heimat besser dokumentieren als einer von ihnen: Lu Guang, der ehemalige Fabrik­arbeiter.

China hat eine Reihe von Schritten unternommen, um seine Ziele zu erreichen: «Die wirksamsten Massnahmen sind verbindliche Normen betreffend Emissionen von Kohlekraftwerken sowie Kohleverbrauch. Dies ist auch auf Satellitendaten ersichtlich: Die stärkste Verbesserung der Luftqualität zeigt sich in Gegenden mit vielen Kohlekraftwerken. Währenddessen verläuft die Entwicklung in Indien in umgekehrter Richtung. Dort nehmen die Emissionen in Regionen mit Kohlekraftwerken immer mehr zu», sagt Lauri Myllyvirta, der in der Kampagne für bessere Luft und saubere Energie bei Greenpeace Beijing arbeitet, in «The Times of India» vom 13.11.2017.

Lu Guang (1961) wuchs in Yongkang in der Provinz Zhejiang in China auf. Er ist bekannt für grosse Dokumentationsprojekte in seiner Heimat. Seine Bilder erschienen in «National Geographic», im «Guardian» und bei Greenpeace. Heute lebt und arbeitet er in Peking.

Lu Guangs neustes Projekt handelt von Umweltzerstörung und Nahrungssicherheit. Bereits 2010 reiste er in die Provinz Hunan und dokumentierte die Folgen der Umweltzerstörung durch Minengebiete und grossindustrielle Unternehmen. Seither hat der Umfang der Verschmutzung weiter zugenommen. Lu Guang möchte in die Region zurückkehren, um an einer neuen Fotoserie zu arbeiten. Damit will er einen direkten Zusammenhang zwischen den verseuchten Böden und einer zunehmend unsicheren Nahrungsmittel­versorgung in China zeigen.