Noch während ich darüber nachdenke, wie ich Plastik aus meinem Leben verbanne, tippe ich auf einer Tastatur, die aus – genau – Plastik besteht. Ich frage mich kurz, wie viele Mikropartikel Plastik in diesem Augenblick an meinen Fingerkuppen haften.
Vielleicht fragen Sie sich dasselbe, während Ihr Finger das Plastikrädchen der Computermaus dreht oder Sie Ihr Multimediagerät in den Händen halten.
Plastik ist eine Errungenschaft der Moderne. Es ist 1907 in Form von Bakelit als erster Massenkunststoff in Erscheinung getreten. Ab da ging es rasant aufwärts. Leicht und günstig. Hygienisch und beständig. Weich oder hart. Transparent oder poppig-bunt: Die Eigenschaften von Kunststoffen sind vielfältig, ihre Verwendungsmöglichkeiten schier unendlich.
Und die Konsequenzen: Kaum zu bewältigen. Plastik ist überall. Produktion und Verwendung bilden ein unaufhaltsames und mittlerweile unüberschaubares Umweltdesaster: Wir werden es nicht mehr los. Egal wo: Ein Fitzelchen Kunststoff findet sich immer. Und wenn du glaubst, etwas sei plastikfrei, ist das Plastik oft nur unsichtbar. Von tausend Wellen klein geschliffen, aus Fasern synthetischer Kleidung gespült, aus Spülschwämmen gewrungen oder mit dem Duschschaum in den Abfluss gespült, findet Mikroplastik seinen Weg über die Flüsse ins Meer: 30 Millionen Tonnen landen so jährlich in den Ozeanen. Die Prognosen für die Zukunft sind schwindelerregend und düster: Die Produktion von Plastik hat sich innerhalb 50 Jahren um das Zwanzigfache gesteigert. Während man 1964 noch von 15 Millionen Tonnen produziertem Kunststoff sprach, waren es 2014 bereits rund 311 Millionen Tonnen. Für die nächsten 20 Jahre wird eine Verdopplung erwartet.
Wie werden wir die Geister, die wir riefen, wieder los? Anders als in Goethes Ballade hilft uns dabei kein Meister – das müssen wir ganz allein fertigbringen. Bis August begleiten wir das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior III auf seiner Reise durch das Mittelmeer, das von allen am stärksten von der Plastikverschmutzung betroffen ist. Alle Facts und Hintergrundinfos zu Plastikverschmutzung im Meer und Mikroplastik sowie einen Schiffsblog findest du auf unserer Website.
Wir widmen uns bis August in fünf Ausgaben Menschen, die sich dem Problem Plastik auf ganz unterschiedliche Weise genähert haben.
Serie 1
Ein Leben ohne Plastik: Pragmatisch und gezielt gehen Anneliese Bunk und Nadine Schubert auf das Problem zu: «Kauen Sie gerne auf Plastik? Sicher nicht, oder?» Dann schlagen sie Alternativen vor. Denn Kaugummi ist genau das, was es nicht sein soll: Plastik. Ohne missionarischen Unterton erklären die Frauen, wie sie schrittweise alles Plastik aus ihrem Alltag verbannt haben. Geht nicht? Geht wohl. Ihre Erkenntnisse haben Bunk und Schubert in ihrem Buch «Besser leben ohne Plastik» zusammengefasst. Selbstverständlich plastikfrei gedruckt.
Serie 2
Eine sehr persönliche und künstlerische Umsetzung ist das Projekt des Fotografen Fabrice Monteiro. Bis zu seinem 18. Lebensjahr ist der leidenschaftliche Surfer in Senegal aufgewachsen. Als er 20 Jahre später zurückkehrt, erkennt er Senegal nicht wieder. «In manchen Gegenden sind die Bäume nicht mehr grün. Sie sind schwarz – bis zur Unkenntlichkeit behängt mit schwarzen Plastiksäcken.» Mit dem afrikanischen Designer Jah Gal beginnt er, die Plastikverschmutzung zu dokumentieren. Entstanden ist «The Prophecy», eine Fotostory, deren Making-of man sich hier anschauen kann.
Serie 3
Welchen Reinigungseffekt hat es, sich unter der Dusche mit Plastik einzureiben? Keinen, könnte man meinen. Trotzdem bestehen manche Duschpeelings zu 90 Prozent aus Kunststoffen. Es wird Zeit, unser Badezimmer einer ordentlichen Reinigung zu unterziehen. Dazu berichten wir im Beitrag «Mikroplastik in Produkten, Kleidern und Kosmetik» und liefern eine umfangreiche Kosmetik-Produkteliste, in der Sie Ihre eigenen Produkte überprüfen können.
Serie 4
Weniger künstlerisch, aber mindestens so bildgewaltig kommt der Film des Regisseurs Craig Leeson «A Plastic Ocean» daher. Auch hier steht ein persönlicher Bezug zum Meer und zu seiner Verletzlichkeit am Anfang einer rund vier Jahre dauernden Dokumentation durch alle Ozeane der Erde.
Serie 5
Max Liboiron vereint in ihren Arbeiten Grassroots, Feminismus und Wissenschaft und hat ein ausschliesslich von Frauen besetztes Institut der Meereswissenschaften aufgebaut. Hier beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen mit den Auswirkungen von Plastik in den Meeren. Unsere Autorin und Wissenschaftlerin Bettina Wurche hat die Selfmadefrau interviewt. Entstanden ist ein interessantes Gespräch zwischen zwei spannenden Wissenschaftlerinnen.
Wir wünschen Ihnen einen geruhsamen Sommer mit möglichst vielen plastikfreien Momenten. Und auch wenn Sie nach einem Strohhalm greifen, verzichten Sie auf Plastik. Es gibt Alternativen. Auch bunte.