«Mindfulness» gehört aktuell zu den populärsten spirituellen Angeboten in modernen, urbanen Gesellschaften. Die Praxis entstammt dem Buddhismus, wurde jedoch weitgehend von ihren religiösen Bezügen befreit.
Psychologinnen und Zen-Meister sind überzeugt: Achtsamkeit kann unseren Blick auf Arbeit, Beziehungen und Umwelt grundlegend verändern. Zugleich fördert sie die Gesundheit und Zufriedenheit. Der Wandel zu einer friedlicheren und nachhaltigeren Gesellschaft könnte deshalb mit Atmen und Meditieren beginnen. Ein Fotoessay mit wissenschaftlichen Fakten.
Bereits in den 70er-Jahren verband der amerikanische Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn Meditationstechniken aus unterschiedlichen Buddhismustraditionen für medizinische Zwecke und popularisierte Meditation über das von ihm entwickelte «Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)»-Programm. Das wissenschaftliche Interesse an Achtsamkeit und Meditation stieg in den letzten Jahren rasant: Erschienen 1991 gerade mal fünf wissenschaftliche Publikationen zum Thema, waren es 2013 bereits 549.
Achtsamkeitstraining aktiviert die linke Gehirnhälfte, die mit Gefühlen von Freude, Enthusiasmus, Zufriedenheit und Tatendrang assoziiert wird. Zudem fördert es die Produktion von Antikörpern im Blut, was sich positiv auf das Immunsystem auswirkt.
Bedingt durch die Zunahme von Stress in westlichen Gesellschaften sei das Interesse an Mindfulness besonders in den letzten fünf Jahren stark gewachsen, sagt die Organisationspsychologin Peta McAuley. Folgen von Stress sind unter anderem Schlaf- und Verdauungsstörungen, Herzerkrankungen, Bluthochdruck und Angstzustände. «Heute wissen wir aus einer Reihe von neurobiologischen Studien, dass sich Achtsamkeitstrainings bei sehr vielen geistigen und körperlichen Beschwerden positiv auf das Wohlbefinden von Patienten auswirken.»
Für die Psychologin Yuka Nakamura ist Mindfulness auch eine emanzipatorische Praxis: «Wer achtsam ist, hat mehr Selbstbewusstsein und Energie, um in seinem Umfeld Dinge zu verändern», sagt sie. Einer ihrer Kollegen unterrichtete Mitarbeitende eines Call-Centers in Mindfulness. Erst danach hätten die meisten realisiert, wie stark sie unter den gegebenen Arbeitsbedingungen gelitten hatten. Viele haben daraufhin gekündigt.
Ihre Klienten würden nach einem Achtsamkeitstraining oft eine neue Sensibilität für die Schönheit der Natur entwickeln, sagt die Psychologin Yuka Nakamura. «Wer nicht gedankenverloren auf sein Display starrt, wer nicht ständig der Sucht nach einem nächsten ‹Kick› nachgibt, sondern präsent ist für das, was jetzt gerade sinnlich erfahrbar ist, der spürt eher die Sonne auf der Haut, hört das Pfeifen der Vögel oder das Rauschen eines Bachs.» Sie ist überzeugt, dass das Engagement für die Umwelt eine solche Wertschätzung und Verbundenheit mit der Natur voraussetzt.
Alle Bilder wurden auf der Insel Lantau in Hongkong aufgenommen, wo eines von weltweit acht Klöstern des Zen-Meisters und Mindfulness-Begründers Thích Nhất Hạnh (Thay) steht. Dort lernen Mönche, Nonnen und weltliche Anhänger «die Kunst des harmonischen Zusammenlebens untereinander und mit der Erde». Siehe dazu die Reportage im aktuellen Greenpeace-Magazin.