Damit wir in Zukunft den Atomstrom mit erneuerbaren und einheimischen Energiequellen ersetzen können, braucht es eine Nachfrage der Konsumenten, Gemeinschaftsgeist für den Bau von Ökostromanlagen und Menschen, die in diese investieren.

Eine Zukunft mit sauberer Energie ist keine Utopie: Die folgenden Beispiele geben Ihnen eine Idee, wie wir in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich Atomstrom mit einheimischem Strom aus erneuerbarer Energie ersetzen können.

Wasserkraft
Gemeinschaft Hard, Winterthur

An der Töss in Winterthur begann die Energiezukunft schon vor über zweihundert Jahren, konkret 1802. Damals nahm die erste mechanische Fabrikanlage der Schweiz, die Spinnerei Hard, ihre Produktion auf. Die Spinnmaschinen wurden direkt vom Wasser des Flusses angetrieben. Es habe ein ganzes System von unterirdischen Kanälen gegeben, erzählt die heutige Geschäftsleiterin der Gemeinschaft Hard, einer nicht gewinnorientierten AG, Sarah Bolleter: «Noch heute kennen wir nicht alle Kanäle, Pläne gibt es kaum.» Aber einen der Kanäle hat die Gemeinschaft auf das 200-Jahr-Jubiläum der ehemaligen Fabrik hin zugänglich gemacht. Blickt man an seinem Ende auf die Töss hinaus, sieht man eine prachtvolle Uferlandschaft mit ausgewaschenen Steinen und kleinen Wasserfällen.

Die Gemeinschaft Hard, die das Industrieareal 1986 kaufte, plante von Beginn weg eine ökologische Wohn- und Arbeitsnutzung des historischen Gebäudes. Dazu gehörte auch die Nutzung des Kleinwasserkraftwerks. Leider befand sich die Turbine mitten auf dem Areal und die Lautstärke des Wassers wurde mehr und mehr zum Problem, vor allem für das gleich daneben liegende Tonstudio. Verschiedene Lärmdämmungsmassnahmen erzielten nicht den erhofften Effekt. Man beschloss schliesslich, die Anlage rundum zu erneuern: mit einer neuen, grösseren Turbine, einer grösseren Fallhöhe des Wassers und neu am Rand des Areals. 2015 weihte die Gemeinschaft die neue Anlage ein, die 4,5 Millionen Franken kostete. Sie erzeugt doppelt so viel Strom wie die vorherige Anlage und vieles funktioniert jetzt automatisiert. Den Strom speisen die Winterthurer ins lokale Netz ein, bezahlt werden sie dafür von Swissgrid – «zu einem guten Preis», wie Bolleter sagt: «Wir hatten zeitlich Glück und profitieren von der kostendeckenden Einspeisevergütung des Bundes.» Die nächsten 24 Jahre läuft der Vertrag. Die Stromerzeugung sei für die Gemeinschaft Hard ein wichtiger Budgetposten. Anfang Oktober, an einem Tag, an dem die Anlage mangels Wasser stillsteht, sagt die Geschäftsleiterin: «Kein Grund zur Sorge: Mit rund siebzig solcher Stillstandstage pro Jahr rechnen wir. Und für dieses Jahr haben wir bereits über hundert Prozent unseres Jahresbudgets produziert.»

Das Kleinwasserkraftwerk ist in beide Richtungen fischgängig – und auch ein Biber hat sich niedergelassen. Vor einem Jahr meldete Betriebswart Rolf Künzle erfreut: «Das Tier ist wieder bei uns. Der Biber hat den erweiterten Kanal gleich wieder angenommen.»

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Windkraft
Genossenschaft Windenergieanlage Diegenstal (GWD)

Der Wind hat seinen Namen in alle Himmelsrichtungen getragen: Bauer Fritz, der mit dem Biohof, der auch ein Ferienhof ist. Und ausserdem: der mit dem Kraftwerk. Man sieht sie schon von weitem, die allein stehende Windturbine in Diegenstal bei Rickenbach LU, oberhalb von Sursee. Über 22 Meter ragt sie in die Höhe, 12 Meter beträgt der Durchmesser des Rotors. «Eine Kleinstanlage», sagt Fritz Neuenschwander: «Sie produziert die Menge Strom, die zwei Haushalte mit je vier Personen durchschnittlich verbrauchen.» Das Windkraftwerk steht 250 Meter neben seinem Hof. Der Strom geht aber nicht direkt dorthin, sondern wird ins Netz der Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) eingespiesen. Einspeiser ist allerdings nicht Fritz Neuenschwander, sondern die Genossenschaft Windenergieanlage Diegenstal (GWD). Neuenschwander hat sie 1991 zusammen mit Gleichgesinnten gegründet, nachdem ein Langläufer – Alois Fuchs, der heutige Präsident der GWD – zu ihm gesagt hatte «Sie, die Loipe neben Ihrem Haus ist stets windverweht. Hier wäre doch ein guter Standort für eine Windanlage. Ich hätte eine kleine …» Neuenschwander und seine Frau befassten sich zu dem Zeitpunkt mit Solarenergie und fanden: Wind? Ok, machen wir! Die Genossenschaft wurde gegründet, weil die CKW damals von Privaten keinen Strom kaufte.

2004 ging die Anlage bei einem Windsturm kaputt und musste entsorgt werden. Die Genossenschaft erfuhr von einer Turbine auf dem Titlis, die dort nicht gut funktioniere. «Unser Präsident ging hin und kaufte sie zum symbolischen Preis von fünf Franken. Bis sie schliesslich bei uns aufrecht stand, kostete es dann aber schon über 50 000 Franken», lacht Neuenschwander. Die Anlage war nicht ideal für die Windverhältnisse auf dem 3000 Meter hohen Berg – aber in Diegenstal lief sie einwandfrei. Gestört fühle sich aus der Nachbarschaft oder von den Gästen auf dem Hof niemand. «Wenn der Wind bläst, übertönt das Rauschen der Bäume die Anlage ohnehin», sagt Fritz Neuenschwander.

Aus der kleinen Windenergie-Genossenschaft ist mittlerweile eine Gruppe von 200 Mitgliedern geworden, die mit Wind-, Sonnen- und Wasserkraft rund 650’000 Kilowattstunden im Jahr produziert. Und man will noch höher hinaus. «Das Tolle an der Windenergie ist», so der Bauer, «dass man sieht, wie viel Energie in der Umwelt steckt. Allein schon mit so kleinen Anlagen wie unseren sieht man, dass es möglich ist, all die Energie, die man braucht, aus erneuerbaren Quellen zu produzieren. Das macht enorm Lust, noch mehr zu machen!» Freilich: Der Standort muss stimmen, insbesondere beim Wind. Und sich als Genossenschaft oder anderswie zu organisieren, sei auch von Vorteil, weiss der Innerschweizer Produzent, der kein Einzelkämpfer sein wollte, aus eigener Erfahrung: «Zusammen hat man politisch mehr Gewicht.»

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Hier gehts zu weiteren drei Beispielen von Ökostromkonsumenten und -produzenten.

Infografik: So funktioniert der Atomausstieg.

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