Die Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und der EU und TiSA (Trade in Services Agreement) zwischen 50 Staaten schaffen riesige globale Freihandelszonen. Die Verhandlungen zum Abschluss der Abkommen laufen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Doch nun ist brisantes durchgesickert: Die Interessen von Unternehmen werden über den Schutz der Menschen und der Umwelt gestellt.
…ach wie gut dass niemand weiss, dass ich TTIP und TiSA heiss…
So stellt sich der Welthandel sein Märchen für die Abschaffung der Grundrechte des demokratischen Staates vor. Jedoch: Wir sind ihm auf die Schliche gekommen.
TTIP und TiSA soll alles, was den Handel von Waren und Dienstleistungen behindern könnte, abbauen. Als Anreiz für Unternehmen, ihre Geschäfte auf beiden Kontinenten auszubauen. Doch der vollständige Abbau von Regulationen hebelt die Gesetze der einzelnen Nationen aus. Die Abkommen stehen in Zukunft in der Hierarchie ganz oben. Die TTIP-und TiSA-Verhandlungsrunden fanden bislang unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Das darf nicht sein. Die Pressestelle von Greenpeace Niederlande hat Teile der bislang geheimen TTIP Verhandlungspapiere (16. Mai 2016) und der weniger bekannten TiSA Verhandlungspapiere (20. September) veröffentlicht. Der Inhalt der Dokumente ist brisant und gibt Einblick in die weit fortgeschrittenen Verhandlungen, die in direktem Widerspruch zu Demokratie und Pariser Klimaschutz-Abkommen stehen.
Auf https://ttip-leaks.org/ bietet Greenpeace eine genaue Übersicht der Inhalte und der geleakten Papiere. Wir stellen in einer Infografik die Bereiche vor, in die das TTIP Abkommen eingreifen wird.
Vorsorgeprinzip
Noch muss ein Unternehmen in der EU beweisen, dass sein Verfahren oder Produkt (etwa ein Farbstoff) unschädlich ist, bevor eine Marktzulassung erteilt wird. Ebenso können Staaten vorsorglich etwas verbieten, soweit eine Gefahrenvermutung vorliegt. Mit TTIP stünde das in der EU-Verfassung verankerte Vorsorgeprinzip auf dem Spiel, da es vielen Konzernen beidseits des Atlantiks ein Dorn im Auge ist.
Demokratie & Transparenz
Die Bevölkerung wird in die Verhandlungen nicht einbezogen und unzureichend informiert. Noch ist unklar, ob den nationalen Parlamenten ein relevanter Einfluss bei der Verabschiedung des Abkommens eingeräumt werden wird. Wenn TTIP zustande kommt, würde der vorgesehene Transatlantische Regulierungsrat außerhalb demokratischer Strukturen wichtige Entscheidungen treffen.
Nachhaltige Entwicklung
Sechs der acht international vereinbarten Kernarbeitsnormen, darunter das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren, haben die USA bisher nicht ratifiziert. Gleiches gilt für mutilaterale Umweltabkommen wie die Konvention über die biologische Vielfalt. Zwar soll TTIP ein Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung beinhalten – jedoch ohne eine Verpflichtung für die USA, die erwähnten Normen und Abkommen doch noch zu ratifizieren. Dies hätte eine denkbar schlechte Signalwirkung auf die weitere Staatengemeinschaft.
Daseinsvorsorge
Bereiche der Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheitswesen, Müllabfuhr und Wasserversorgung sind bei uns noch vielerorts in öffentlicher Hand, unterliegen aber einem Privatisierungsdruck. Im Fall der Wasserversorgung führten Privatisierungen, wie in Potsdam, zu einer Verschlechterung von Wasserqualität und Wassernetz. TTIP würde viele Bereiche der Daseinsvorsorge auch für US-Investoren öffnen und damit das Gewinninteresse der Unternehmen über das öffentliche Interesse an guter und bezahlbarer Versorgung stellen.
Privatsphäre
Schon jetzt wollen die Konzerne viele private Daten von uns. TTIP würde den persönlichen Datenschutz weiter schwächen und den Unternehmen den Zugang zu unseren Daten erleichtern.
Umwelt & Artenvielfalt
Das Abkommen würde den ozeanüberschreitenden Handel und somit die Zahl der Transporte erhöhen. Die Folgen: höherer Treibstoffverbrauch und mehr klimaschädliche CO2-Emissionen. Regierungen würden sich vermutlich mit der Ausweisung neuer Schutzgebiete (zum Beispiel Nationalparks) schwertun. Schließlich könnten Nutzungsbeschränkungen und -verbote mit den Interessen von Investoren kollidieren.
Kosmetika
Angeglichene und somit niedrigere Standards in der Kosmetikindustrie würden bedeuten, dass wir in unseren Regalen bald Kosmetika mit schädlichen Substanzen vorfinden, die in der EU bereits verboten waren. Auch Produkte, die mit Tierversuchen hergestellt wurden, könnten auf den europäischen Markt kommen.
Landwirtschaft
Wenn infolge von TTIP massenhaft billige Lebensmittel von amerikanischen Industriefarmen den europäischen Markt überschwemmen, könnte dies die hiesigen kleinbäuerlichen und ökologischen Betriebe unter Preisdruck setzen und so existenziell bedrohen.
Ernährung
Weniger Schutz vor gefährlichen Pestizidrückständen, gentechnisch veränderten Produkten und unnötigen, unsicheren Lebensmittelzusätzen – diese und andere Verschlechterungen in puncto Ernährung sind zu befürchten.
Textilien
Hier geht es unter anderem um die Frage, welche Chemikalien bis zu welchen Grenzwerten in der Textilproduktion eingesetzt werden dürfen. Womöglich würden die strengen Greenpeace-Kriterien zur Entgiftung von Kleidung auf diesem Weg unterlaufen.
Chemikalien
In der EU muss bisher für die Zulassung von Chemikalien der Nachweis erbracht werden, dass sie sicher sind. In Amerika gilt eine Unbedenklichkeitsvermutung: Bis zum Nachweis des Gegenteils geht man davon aus, dass die Stoffe unschädlich sind. Die strengeren europäischen Standards bei der Zulassung, Beschränkung und Kontrolle von Chemikalien könnten nun abgeschwächt werden. Dies gilt vor allem für Nanopartikel und hormonell wirksame Chemikalien.
Energie & Klima
Beschränkungen und Nachhaltigkeitsstandards für die Nutzung klimaschädlicher Energieträger, etwa Öl aus Teersanden, könnten als Handelshemmnisse abgeschwächt oder aufgehoben werden. Das geplante Abkommen nimmt auch Einfluss auf die Fracking-Debatte: Einerseits versucht die EU, die Einfuhr von amerikanischem Flüssiggas aus Fracking zu erhöhen. Andererseits sind US- wie auch europäische Konzerne bestrebt, Fracking in Europa zu etablieren. Nationale Verbote gegen Fracking würden so höchst unwahrscheinlich.
Kultur
In Europa gehört die Förderung der Kultur (z. B. Musikclubs, Theater, Programmkinos, Opernhäuser) einschließlich der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalten zu einer wichtigen am gemeinwohl orientierten Aufgabe. TTIP droht, unsere kulturelle Vielfalt einer reinen Marktlogik zu unterwerfen, die sich nach den Interessen von US-Investoren richtet.
Arbeitsplätze & Arbeitsstandards
TTIP würde den Wettbewerb zwischen der EU und den USA verstärken. Selbst die Europäische Kommission räumt ein, dass dies eine „andauernde und substanzielle“ Verlagerung von europäischen Arbeitsplätzen zur Folge hätte, da mehr Waren aus den USA nach Europa kämen. Bis zu 1,3 Millionen Arbeitsplätze könnten in Europa verloren gehen.
Ebenso könnte der erhöhte Wettbewerbsdruck die Situation für europäische Arbeitnehmer verschlechtern, indem Löhne, Rechte und die Sicherheit am Arbeitsplatz sinken.
Transatlantischer Regulierungsrat
Das geplante übergeordnete Gremium soll transatlantische Standards festlegen, ohne zuvor die Parlamente auf beiden Seiten des Atlantiks zu konsultieren.
Private Streitschlichtung
Verklagt ein Investor einen Staat nach der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS), sollen private Schiedsgerichte aus jeweils drei Streitschlichtern in einem außergerichtlichen Verfahren entscheiden. Der zu zahlende Schadenersatz aus Steuergeldern könnte schlimmstenfalls in die Milliarden gehen.