Unsere wichtigste und grösste Dienstleisterin ist die Natur, ist die Erde selber. Ihre Ökosysteme bilden ein komplexes Unternehmen mit vielen Teilhabern, in dem keiner ohne den anderen überleben kann.

Die Dividenden sind regelmässig – und lebenserhaltend! Saubere Luft, der Schutz vor Hochwasser, die Bestäubung von Kulturpflanzen und sauberes Grundwasser sind nur einige der kostbaren Güter und Leistungen dieser Öko­systeme und letztlich die Grundlage unserer Lebensqualität. Bei diesen Ökosystemleistungen handelt es sich um öffentliche Güter: Sie sind zwar kostenlos, aber unbezahlbar – denn es gibt keinen Markt, wo man sie kaufen könnte. Wir profitieren alle von diesen Gütern und Leistungen, aber niemand fühlt sich dafür verantwortlich. Die Übernutzung ist damit programmiert und mit dem steigenden Druck verändert sich auch unsere Lebensqualität.

Umweltschutz ist günstig – kein Umweltschutz wird teuer

Wir müssen heute nicht mehr darüber nachdenken, was Umweltschutz kostet. Wir müssen darüber nachdenken, was kein Umweltschutz kostet. Die Europäische Union bezifferte die Ausgaben, mit denen wir für unser Nichthandeln haften müssen, bis 2050 auf rund 4 Prozent ihres Brutto­in­landprodukts. Das sind rund 585,2 Milliarden Euro, mit denen wir die heute noch von der Natur erbrachten Leistungen ersetzen oder bereits zer­störte Ökosysteme reparieren müssen. Eine Quantifizierung der Ökosystemleistungen soll das nun ändern. Bis 2020 will das Bundesamt für Umwelt ­(BAFU) in der Schweiz im Rahmen der Strategie «Biodiversität Schweiz» alle Ökosystemleistungen quantitativ erfassen können und dadurch mit bislang fehlenden Preissignalen neue Anreize für den Erhalt und die Förderung der Ökosysteme setzen.

Preisschilder für die Natur

Die Diskussion um eine monetäre Bezifferung der Natur kommt seit Jahren zu keinem gültigen Schluss. Ihre Resultate seien stark von der Methode abhängig und daher umstritten, so die Forscher vom BAFU. Für sie geht es nicht darum, Arten oder Biotopen ein Preisschild umzu­hängen, sondern deren Bedeutung für Gesundheit, Sicherheit, Biodiver­sität und wirtschaftliche Leistung wieder wertzuschätzen und – darauf liegt die Hoffnung der Umweltökonomen – den Wert der Ökosysteme und ihrer Leistungen nicht als monetäre, sondern als moralische Instanz in politische wie ökonomische Entscheidungen einfliessen zu lassen. Kritiker sehen in der monetären Erfassung von Ökosystemleistungen eine Ge­­fahr, denn was einen Preis hat, lässt sich auch handeln. Ironischerweise steht dagegen, dass Geldeinheiten für alle verständlich sind und so gerade in reichen Ländern wie der Schweiz für mehr Akzeptanz im Umweltschutz sorgen. Wie schwierig die quantitative Erfassung eines Ökosystem ist, zeigt das Beispiel Wald: Als Erholungsort für Ruhesuchende, als natürlicher Filter für sauberes Trinkwasser, als Rückzugsort für ­Wildtiere, als Pool der Artenvielfalt und als CO2-Speicher erfüllt der Wald zahlreiche Aufgaben. Den Wert des Waldes quantitativ festzulegen ist gar nicht so einfach – besonders bei Interessenskollisionen: So steigt bei einem gut besuchten Wald sein Wert als Erholungsort, während der Wert für die Biodiversität sinkt.

Die summenden Erntehelfer – Hummel, Biene und Co.

«Natürliche Produktionsunterstützungsleistung» nennt die Landwirtschaft die kleinen Helferlein. Ohne Bestäuberinsekten käme bei Apfel, Kirsche und Tomate Handarbeit zum Zug – Blüte für Blüte. Die Berechnung des Werts der Bestäuberleistung von Insekten wie der Honigbiene ist komplex. Allein der Erntewert der Schweizer Honigbienen für Obst und Beeren wurde 2002 auf 271 Millionen Franken geschätzt.

Pharma- und Kosmetikindustrie auf den Pfaden der Natur

Bioprospektion heisst die Wissenschaft der wirtschaftlichen Nutzbarmachung von Pflanzen. Besonders die Pharmaindustrie interessiert sich für den nahezu unerschöpflichen Vorrat an Möglichkeiten, die Mutter Natur für die Entwicklung neuer Produkte und Inhaltsstoffe bietet. Reich gefüllt und üppig bleibt der Korb natürlicher Vielfalt aber nur, wenn die Be­dingungen stimmen: stabile Ökosysteme zum Schutz der Artenvielfalt. Wildsammlungen zum falschen Erntezeitpunkt oder Ernteraten über der Regenerationsfähigkeit der Arten bringen nicht nur Ökosysteme durch­einander, sondern treiben die Wildpopulationen an den Rand ihrer Existenz. Ein Beispiel ist der Candeia-Baum, aus dem das entzündungs­­hem­mende Alpha-Bisabolol gewonnen wird. Von der Zerstörung von Le­bens­­räumen ­zur Flächengewinnung für die Rohstoffproduktion geht die Zerstörungskette weiter über die Bodenerosionen und den Einsatz von Düngern und Pestiziden und endet schliesslich mit sogenannten Xeno­biotika – bioinkompatiblen Inhaltsstoffen im Abwasser, die unsere Kläranlagen nicht mehr herausfiltern können, sodass sie in Bächen und Flüssen landen.

Die Schutzleistung der Moore

Wer ein Moor entwässert, entlässt nicht nur Unmengen an CO2 und Lach­gas in die Atmosphäre, sondern riskiert auch, den Landschafts­wasserhaushalt durcheinanderzubringen. Moore sind nicht nur Speicher klimaschädlicher Gase und Lebensräume selten gewordener Arten, sie sind auch riesige Wasserspeicher. Torf ist unglaublich quellfähig und die Moorvegetation nimmt grosse Niederschlagsmengen auf und gibt sie über mehrere Tage verzögert wieder ab: eine perfekte Regulierung des Landschaftswasserhaushalts. Moore sind also nicht nur eine einfache und kostengünstige Massnahme zum Einsparen von Klimagasen und zum Erreichen von Klimazielen, sie halten auch die Kosten für den Hoch­was­serschutz vergleichsweise gering.

Facts

  • Die Abnahme der ­Biodiversität und ihrer Ökosystemleistungen bedeutet weltweit ­einen Verlust von 4000 bis 18 000 Milliarden Franken im Jahr (BAFU, 2015).
  • 4 Prozent des Brutto­inlandproduktes der EU werden bis 2050 aufgrund unseres Nichthandelns ent­stehen. Das sind um­gerechnet 585,2­ ­Milliarden Euro.
  • Bis zu 3400 Euro bringen eine Hektare Schutzgebiet in der EU. Der Anreiz, endlich mehr als nur traurige 6,5 Prozent der ­Schweizer Landesfläche ­unter Schutz zu stellen, ist ­also gegeben.