30 Jahre nach Tschernobyl und fünf Jahre nach der dreimaligen Kernschmelze im TEPCO Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zeichnen sich die Schatten beider Desaster noch immer ab.

In der Folge von Fukushima trat ich dem Greenpeace Strahlenschutzteam bei, um den Einfluss der Strahlung auf die Bevölkerung zu messen und zu kommunizieren. Greenpeace dokumentiert seit über 40 Jahren Umweltverschmutzung und –zerstörung, aber eine Frage hat mich nicht mehr losgelassen: Wie wirft man ein Licht auf etwas, das unsichtbar ist?

Wir fanden die Antwort in einem speziell angefertigten LED-Leuchtstab, der an einen Geiger-Zähler angeschlossen werden, das radioaktive Strahlungslevel messen und in Echtzeit anzeigen kann. Nimm ein Bild von einer kontaminierten Fläche mit langer Beleuchtungszeit auf und gehe mit dem Messgerät darüber, und schließlich erhältst du eine wellenförmige Lichtwand, die die Strahlung in der Umgebung visuell auf einer Karte darstellt.

Schulhof in der Region Bryansk in Russland. Die weißen Balken zeigen eine Strahlenbelastung bis zu 0.23 µSv/h, die orangefarbenen zeigen Level bis zu 0.65 µSv/h an. 30 Jahre nach dem Reaktorunfall ist der Schulhof immer noch belastet. © Greg McNevin / Greenpeace
Schulhof in der Region Bryansk in Russland. Die weißen Balken zeigen eine Strahlenbelastung bis zu 0.23 µSv/h, die orangefarbenen zeigen Level bis zu 0.65 µSv/h an. 30 Jahre nach dem Reaktorunfall ist der Schulhof immer noch belastet. © Greg McNevin / Greenpeace

Weißes Licht zeigt jene Radioaktivität an, die die Regierung als akzeptabel eingestuft hat. Oranges Licht weist auf eine Überschreitung des sicheren Kontaminationslevels hin und signalisiert größere Risiken ohne Schutz. Ein rotes Signal zeigt eine Verstrahlung an, bei der die Bevölkerung evakuiert werden muss.

Als wir dieses Messgerät in den Katastrophengebieten von Tschernobyl und Fukushima benutzten, fanden wir Bereiche, die von den Behörden als „dekontaminiert“ eingestuft wurden, aber dennoch Strahlung oberhalb des zugelassenen Limits aufwiesen. Die Radioaktivität bleibt bestehen. In Russlands Bryansk-Region fanden wir 30 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl noch Strahlungslevel, die mit den heutigen Werten in den Evakuierungszonen von Fukushima vergleichbar sind.

In der Kindertagesstätte in Soramame in der Präfektur Fukushima sind die Level niedrig. Dennoch kamen nach dem Unglück weniger Kinder in die Einrichtung. © Greg McNevin / Greenpeace
In der Kindertagesstätte in Soramame in der Präfektur Fukushima sind die Level niedrig. Dennoch kamen nach dem Unglück weniger Kinder in die Einrichtung. © Greg McNevin / Greenpeace

Egal ob fünf oder 30 Jahre danach, die Strahlungsrisiken bleiben und die Gemeinden kämpfen weiterhin mit Problemen, wie der neuen deutlich komplizierteren Normalität und dem Zerfall ihrer Ortschaften. In Starye Bobovichi, einige hundert Kilometer von Tschernobyl entfernt, glaubt die Schulleiterin Tatyana Dorokhova, dass kontaminiertes Material an ihrer Schule gelandet ist. Das könnte erklären, wieso wir im Garten der Schule und auf dem Spielplatz Flächen erhöhter Strahlung entdeckt haben, aber woanders konstant niedrige Strahlungslevel.

Frau Sadako Monma ging große Anstrengungen ein, ihren Kindergarten Soramame zu reinigen, aber schließlich musste sie in die Randbezirke von Fukushima umziehen, wo die Strahlungswerte niedriger waren. Die Reinigung reichte einfach nicht aus. Trotz des Umzugs ihres Kindergartens blieben viele Kinder weg. 2016 wird sie ihre Tagesstätte schließen, 20 Jahre nachdem sie entstand.

Wohnung in Iitate. © Greg McNevin / Greenpeace
Wohnung in Iitate. © Greg McNevin / Greenpeace

Die Mehrheit der Häuser in dem Dorf Staryy Vyshkov in Russland sind mittlerweile verlassene Ruinen. Es ist leicht zu sehen warum, denn die radioaktive Kontamination ist ähnlich hoch wie in der Gemeinde Iitate in Fukushima.

Gelegentlich zieht ein neuer Bewohner in die leerstehenden Häuser. Typischerweise sind dies Menschen, die bereits zu alt sind, um sich Sorgen über die gesundheitlichen Folgen der Strahlung zu machen, oder zu arm, um andere Handlungsmöglichkeiten zu haben. Die Menschen, die geblieben sind wie Ladenbesitzer Natalya Rueva, haben keine alternativen Zufluchtsorte und die Radioaktivität beeinflusst seitdem jeden Aspekt ihres Lebens.

Spielplatz in Bryansk, Russland. © Greg McNevin / Greenpeace
Spielplatz in Bryansk, Russland. © Greg McNevin / Greenpeace

Sobald eine Gemeinde unter dem unsichtbaren Schatten der Radioaktivität zerfällt, ist es extrem schwierig, die Gemeinschaft wieder aufzubauen. Die beiden Landwirte aus Iitate, Toru Anzai und Hiroshi Kanno, wissen dies aus erster Hand. Nachdem sie bereits jahrelang in temporären Unterkünften wohnen, fehlt beiden der Glauben, jemals wieder in ihre Häuser zurückkehren zu können. Die Gemeinschaft und ihr altes Leben sind längst verschwunden.

25 Jahre trennt die Opfer von Fukushima und Tschernobyl, aber ihre Tragik ist eine ähnliche und präsent wie eh und je. Radioaktivität sammelt sich an und verweilt in der Umwelt über lange Zeit, bis sie schließlich jeden Aspekt des Lebens der betroffenen Gemeinde durchdringt.

Autor Greg McNevin ist ein freiberuflicher Fotograf. Folgt ihm auf Twitter und Instagram .