In der Schweiz wurden die rund 300 zugelassenen Pestizide nicht etwa vom Bundesamt für Gesundheit oder dem für Umwelt getestet, sondern das Bundesamt für Landwirtschaft hat die Erlaubnis erteilt. Dies auf der heiklen Basis von Studien der Pestizidproduzenten.
Die industrielle Landwirtschaft basiert heute auf Monokulturen von Hochleistungssorten, die einen steten Zufluss an Kunstdünger und Pestiziden benötigen, um hohe Erträge zu realisieren. So werden allein in der Schweiz gut 2000 Tonnen Pestizide pro Jahr eingesetzt, um Nutzpflanzen vor Unkräutern, Insekten oder Pilzkrankheiten zu schützen. Das sind 2000 Tonnen Gift auf unseren Feldern, in unseren Plantagen und Gärten. Die Auswirkungen von Pestiziden auf Mensch und Umwelt sind massiv: Pestizide sind mitschuldig am Verlust der Biodiversität, sie gefährden Bienen und andere Bestäuber, sie schädigen die Bodenlebewesen und gelangen in unser Trinkwasser. Von den über 300 zugelassenen Pestiziden sind etliche als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft, andere wirken auf das Hormonsystem oder sind fruchtschädigend.
Intransparente Zulassungsverfahren
Bei diesen Mengen und Auswirkungen würde man annehmen, dass die Behörden die Sicherheit von Pestiziden sorgfältig überprüfen und dabei Tests durchführen, bevor sie diese bewilligen. Doch die Bewilligungsentscheide der Behörden basieren nicht auf eigenen Untersuchungen, sondern auf Studien der Hersteller. Unabhängige Forschung wird bei der Bewilligung gar nicht erst in Betracht gezogen — oft mit fadenscheinigen Behauptungen, dass ihre Qualität nicht ausreichend sei.
Die heutige Bewilligungspraxis ist intransparent und weist zahlreiche Mängel auf. So wird zum Beispiel die angenommene Konzentration eines Pestizids in der Umwelt regelmässig zu tief geschätzt, der Effekt von Hilfsstoffen in Pestiziden wird nicht systematisch analysiert und die Wechselwirkungen von Pestizid-Cocktails, denen Umwelt und Menschen ausgesetzt sind, werden gar nicht in Betracht gezogen.
In der Schweiz ist das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) für die Zulassung von Pestiziden zuständig und nicht die Schutzämter BAFU (Bundesamt für Umwelt) oder BAG (Bundesamt für Gesundheit). Das ist problematisch, weil sich das BLW mehrfach als unkritisch gegenüber Pestiziden geoutet hat. So hat sich das BLW lange gegen ein Verbot der bienenschädigenden Neonikotinoide gesträubt und lässt Vertreter der Industrie am neuen Nationalen Aktionsplan Pestizide mitarbeiten. So macht sich das BLW zur Gehilfin der Pestizidindustrie, statt den Schutz der Umwelt und unserer Gesundheit an die erste Stelle zu setzen. Das ist verantwortungslos.
Das Märchen von den fehlenden Alternativen
Die Chemielobby spricht gerne von der Welternährung. Sie behauptet, dass die landwirtschaftliche Produktion ohne ihre Produkte zusammenbrechen würde und noch viel mehr Menschen auf der Welt hungern müssten. Dass dies nicht so ist, beweisen die schätzungsweise zwei Millionen Biobauern auf der ganzen Welt. Sie schützen ihre Kulturen ebenfalls, aber ohne in die Giftkiste zu greifen: Sie stärken die Nützlinge durch eine Erhöhung der Biodiversität, sie verwenden schlaue Fruchtfolgen, die Krankheiten in Schach halten, sie pflanzen robuste Sorten in Duo- oder Polykulturen, verwenden moderne Methoden wie Pheromonfallen, bekämpfen Unkräuter mechanisch oder verwenden Spritzmittel auf natürlicher Basis.
Zwar produziert ein Biobauer etwas weniger pro Quadratmeter als ein konventioneller Bauer. Die Differenz schrumpft jedoch dank besseren Biomethoden stetig. Und solange wir fast die Hälfte der weltweit angebauten Pflanzenkalorien als Tierfutter verwenden und einen Drittel der produzierten Lebensmittel wegwerfen, ist es absurd, die Landwirtschaft mit riesigen Mengen Energie und Chemie auf Effizienz zu trimmen und dabei die Umwelt und die Gesundheit aufs Spiel zu setzen.