«Wollen wir uns wirklich von amerikanischen Milliardären bevormunden lassen?» fragte mich meine Nachbarin besorgt, nachdem sie den A4-Zettel des ominösen «Komitee Rettung Werkplatz Schweiz» aus dem Briefkasten gefischt hatte.
Zwei Wochen nach dem Energie-Extrablatt der SVP sorgt ein weiterer Zettel in allen Schweizer Briefkästen für Verwirrung. Die Strategie des Autors und SVP-Klimaschwurblers Kurt Zollinger ist klar: Mit Lügen auf Biegen und Brechen sollen die Wähler:innen soweit verunsichert werden, dass sie aus lauter Zweifeln Nein stimmen zum Klimaschutzgesetz.
Die absurdesten Behauptungen vorab:
- «…weil seit Jahren Panikmache betrieben wird, hauptsächlich von amerikanischen Milliardären.»
Nun sind also amerikanische Milliardäre schuld daran, dass wir über die Klimaerhitzung sprechen, obschon viele von ihnen immer noch dick im Öl-Business investiert sind? Zum Glück gibt es tatsächlich ein paar vorausschauende Milliardäre, welche die US-Wirtschaft auf Erneuerbare und Klimaschutz trimmen wollen. Nur wenn alle Staaten der Welt ihre Hausaufgaben machen, können wir die schlimmsten Folgen der Erderhitzung noch abwenden. - «Dabei gehen namhafte seriöse Wissenschaftler davon aus, dass dieses [CO2] eine kaum messbare Wirkung hat»
Wo bleibt der «seriöse» Wissenschaftler, der davon ausgeht, dass die Erde flach ist und Schweine fliegen können? Obschon tausendfach belegt und in den IPCC-Reports, den Berichten des grössten und umfassendsten Forschungsprojekts der Menschheitsgeschichte bereits zum sechsten Mal ausführlichst dokumentiert, postuliert der Schwurbler-Zollinger weiter seine Klimalügen. Argumentation zwecklos.
Flyer: Die Klima-Schwurblerei korrigiert
Wir haben für euch das üble Schwublerblatt von der SVP gegen das Klimaschutzgesetz für euch korrigiert. Das nachfolgende Bild kann heruntergeladen, ausgedruckt und als witzigen Flyer verwendet werden.
Sag laut und deutlich «JA KLAR»
Hier eine Analyse der weiteren Scheinargumente:
- «…deutlich höhere Heiz- und Stromkosten, höhere Mieten und Nahrungsmittelpreise»
Die zunehmende Klimaerhitzung führt zu mehr Krisen, was wiederum den Preis von Öl und Gas in die Höhe treibt. Die beste Art, sich vor hohen Preisen zu schützen, besteht darin, die Energie selber zu produzieren. Da wir in der Schweiz keine Ölquellen haben, müssen wir jetzt in den Ausbau von Erneuerbaren investieren, damit wir bereit sind, wenn die nächste Krise kommt.
Für Verbraucher:innen gibt es keine neuen Steuern und Kosten. Im Gegenteil: Der effiziente Umgang mit Energie und mehr einheimische Stromproduktion senken die Kosten. Die Schweiz wird unabhängiger von Preisschocks. Für Unternehmen, Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer und via Nebenkosten auch für Mieterinnen und Mieter wird es zukünftig günstiger. - «Autofahren können nur noch Reiche»
Schon jetzt ist Elektromobilität über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs gerechnet günstiger als Verbrenner. Und da nun alle grossen Autobauer auf Elektro umsteigen, werden die Fahrzeuge laufend günstiger. Wieso bitteschön sollte Autofahren teurer werden? - «Unsere Industrie ist nicht mehr konkurrenzfähig»
Der Umstieg auf Erneuerbare in der EU ist beschlossen. Und um die EU-Wirtschaft vor klimaschädlichen Billig-Importen zu schützen, sollen Zölle erhoben werden auf Produkte, die nicht klimaneutral hergestellt sind. Steigt unsere Industrie nicht auf Erneuerbare um, ist auch sie von diesen Zöllen betroffen. Mit dem Klimaschutzgesetz unterstützen wir die Wirtschaft beim Umstieg und machen sie konkurrenzfähig. - «Tausende verlieren ihren Arbeitsplatz»
Warum? Das Gegenteil ist der Fall: Bezahlen wir den Ölscheichs nicht mehr 8-10 Mrd. CHF jährlich für Öl und Gas, bleibt das Geld in der Schweiz und schafft hier Arbeitsplätze in der Solar- und Baubranche und anderswo. Die Arbeitnehmer:innen geben das Geld hier wieder aus und schaffen noch mehr Jobs im Gewerbe- und Dienstleistungssektor.
Dieser Zusammenhang ist längstens belegt: Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften beziffert das Potenzial für die zusätzliche inländische Wertschöpfung bei einem «moderaten» Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz auf 77 Milliarden Franken bis 2035. Zudem prognostiziert dieses Szenario 50’000 zusätzliche Arbeitsplätze, mehr als zwei Drittel davon im gewerblichen Bereich. - «Es zerstört Natur und Landschaft»
Die Gletscher schmelzen. Der Grundwasserspiegel sinkt. Die Bauern kämpfen mit Trockenheit und Gewitterfluten. Buchen und Fichten sterben den Trocken- und die Fische den Hitzetod. Die Klimaerhitzung zerstört Natur und Landschaft.
Kriegen wir die Klimaerhitzung nicht in den Griff, haben wir bald keine Natur und Landschaft mehr, die es zu schützen gilt. In der Schweiz gibt es längstens genügend Flächen, die für den Solarausbau genutzt werden können: Dächer, Fassaden, Parkplätze, Autobahnen usw. Wird der Umstieg auf Erneuerbare richtig angegangen, werden keine wertvollen Landschaften zerstört. - «Es bedroht uns mit Stromausfällen. Wir werden im Winter frieren.»
Dank den Pumpspeicherwerken könnte sich die Schweiz im Winter während zweier Wochen autark mit Strom versorgen, auch wenn die Sonne nicht mehr aufgehen und kein Tropfen Regen fallen würde. Da es aber in der Schweiz üblicherweise entweder regnet, was die Stauseen füllt, oder aber die Sonne scheint und da Solarpanels auch bei bedecktem Himmel Strom liefern, ist das Szenario obsolet – Strom aus Flusskraftwerken und Kehrichtverbrennungsanlagen nicht mal eingerechnet.
Mehr noch: Im Winter weht in der Nordsee besonders viel Wind und die EU-Staaten bauen die Produktion massiv aus. Gewisse Szenarien zeigen, dass es im Winter in Europa sogar mehr Strom geben könnte als im Sommer. Und wegen immer wärmeren Wintern brauchen wir auch immer weniger Heizenergie. - «Es kostet uns laut Berechnungen der ETH Lausanne annähernd 400 Milliarden Franken»
Das Lügenblatt zitiert hier eine Worst-Case-Studie, die zeigt, wie wir es in der Schweiz nicht machen sollen. Alle realistischen ETH-Szenarien kommen zu einem deutlich besseren Ergebnis.
Laut UVEK betragen die Investitionen in Kraftwerke, Anlagen, Wärmeerzeuger, Fahrzeuge und energierelevante Bauteile der Gebäude bis 2050 insgesamt rund 1400 Milliarden Franken. Diese fallen auch ohne gezielte Massnahmen zur Erreichung des Netto-Null-Ziels an.
Um das Netto-Null Ziel bis 2050 zu erreichen, braucht es zusätzliche Investitionen von rund acht Prozent. Zieht man die eingesparten Zahlungen ins Ausland für fossile Energie ab (vgl. Punkt 3), bleiben rund 5 Prozent resp. 73 Milliarden Franken übrig. Diese Investitionen werden wiederum Gewinne abwerfen (vgl. Punkt 6). Die auf dem Lügen-Zettel postulierten Mehrkosten sind darum völlig aus der Luft gegriffen.
Wer Zollingers Lügenblatt tatsächlich bis unten durchgelesen hat, darf dieses nun getrost ins Altpapier schmeissen zwecks Vorbeugung von Augenkrebs.
Vielen Dank für dein JA zum Klimaschutzgesetz!