«Wer weiss, wie schwierig es ist Dinge zu reparieren, die nicht dafür konstruiert wurden, macht es selbst zukünftig besser.»
Im Rahmen unserer Kampagne für ein Recht zu Reparieren und einen umweltbewussten Konsum haben wir nach engagierten Menschen gesucht, die sich für den Schutz unserer Ressourcen einsetzen. Denn wir konsumieren zu viel – und werfen zu viel weg. Die Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Ansatz, um aus dieser Wegwerfkultur auszubrechen. Für dieses vierte Porträt sprachen wir mit Silke Langenberg, ETH-Professorin für Konstruktionserbe und Denkmalpflege.
DREI FRAGEN AN SILKE
- Was machst du im Bereich Reparaturen?
- «Ich biete für Architekturstudierende einen jährlichen Reparaturkurs an. Die Studierenden bringen defekte Gegenstände aus ihrem eigenen Besitz mit und reparieren diese unter fachlicher Anleitung selbst.»
- Warum?
- «Die Studierenden erfahren dabei praktisch, wie schwierig es ist, einen Gegenstand zu reparieren, der dafür nicht konstruiert wurde. Dieses Wissen wenden sie hoffentlich später in ihrer eigenen Bautätigkeit an und konstruieren selbst besser. Denn auch auch bei Gebäuden müssen wir die Reparaturfähigkeit von Anfang an mitdenken.»
- Was wäre deiner Meinung nach nötig, um mehr Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen?
- «Das Bewusstsein, dass das Reduzieren und Wiederverwenden vor dem Recycling kommen müssen. Und ein politisches Anreizsystem, dass Wiederverwendung, Kreislauffähigkeit und Reparaturen begünstigt.»
Architektur und Bauten assoziieren die meisten Menschen nicht mit Reparaturen. Bei genauerer Betrachtung, wird die Bedeutung und das Potenzial von Reparaturen im Bauwesen aber deutlich. Denn: Die Baubranche verursacht ziemlich viel Müll.
«Es gibt viele Bestrebungen, Bauteile wiederzuverwenden. Das sind gute Ansätze. Aber sie dürfen nicht dazu führen, dass wir mit gutem Gewissen noch mehr abreissen. Denn zumindest der Rohbau lässt sich in den meisten Fällen noch nutzen», sagt Silke Langenberg. Die Professorin für Konstruktionserbe und Denkmalpflege an der ETH Zürich besucht uns in unserem Büro in der Kalkbreite. Obwohl wir uns relativ früh morgens treffen, ist sie bereits voller Energie. Wenn Sie über ihre Lehr- und Forschungstätigkeit spricht, hört und sieht man ihr die Leidenschaft für das Fach an.
Mit Ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit möchte sie die Reparaturfähigkeit von Bauten verbessern: «In der Denkmalpflege arbeiten wir soweit als möglich mit der Originalsubstanz. Wenn Bauten nicht so konstruiert wurden, dass sie reparaturfähig sind, erschwert das die Arbeit extrem.»
Reparaturkonzepte für Erbstücke, Lampen und Stühle
Um das Bewusstsein dafür zu schärfen, bietet Silke Langenberg einen jährlichen Reparaturkurs für die Architekturstudierenden der ETH an: «Reparatur. Anstiftung zum Denken und Machen.». Die Studierenden bringen defekte Gegenstände mit und reparieren diese während eines Semesters. «Lampen und Stühle haben wir sehr häufig; oder Erbstücke und andere Gegenstände mit ideellem Wert», erzählt sie.
Für ihren Gegenstand erarbeiten die Studierenden ein Reparaturkonzept. Sie entscheiden dabei, mit welchen Materialien sie arbeiten, ob sie den Gegenstand «nur» reparieren oder dabei auch gleich eine Schwachstelle verbessern wollen.
Für die Umsetzung stehen ihnen die Werkstätten der Architekturdepartements zur Verfügung, aber auch Partnerbetriebe. Oft sind dies kleine Handwerksbetriebe, welche die Handwerkstechniken noch beherrschen, die für die Reparaturen notwendig sind.
Ersatzteile in Spezialanfertigung
Bei elektrischen Geräten sind oft die Gehäuse oder ein Schalter defekt. Bei diesen Reparaturen liegen die Schwierigkeiten nicht in den handwerklichen Fähigkeiten, sondern in den Ersatzteilen, die nicht erhältlich sind. «Hier hilft uns die digitale Fabrikation. Ersatzteile können, zum Beispiel mithilfe des 3D-Drucks passgenau hergestellt werden», sagt Silke.
Altes Wissen und Erfindungsreichtum
Alte Handwerkstechniken, neue Technologien und professionelle Werkstätten erweitern die Möglichkeiten für Reparaturen. Aber reparieren lässt sich (fast) alles auch ohne dies. Das zeigen die Erfahrungen des Kurses aus der Corona-Zeit. Silke erzählt: «Die Studierenden wurden richtig erfinderisch. Zwei Studenten haben das Furnier für die Reparatur ihres Möbelstücks im Whirlpool und Steamer bugfähig gemacht.» Viele Reparaturen aus diesem Kurs waren im Vergleich zu vorherigen Durchführungen zwar nicht ganz so professionell. Repariert wurde aber alles.
Für die Studierenden sei der Kurs ein wichtiges und lehrreiches Erlebnis. Häufig unterschätzten sie den Aufwand, den die Reparaturen verursachen. «Andererseits freuen sie sich über die Resultate. Viele melden uns zurück, dass sie die Gegenstände sonst weggeworfen hätten.»
Der Wandel zu einer echten Kreislaufwirtschaft ist nur mit kreislauffähigen Produkten machbar. Das gilt für Gebäude genauso wie für Kleider, Waschmaschinen und Bürostühle. Mit ihrer Arbeit zeigt Silke, wie alte und neue Disziplinen, die Denkmalpflege und neue Bautechnologien, zusammenarbeiten, um eine solche Kreislaufwirtschaft möglich zu machen.
Unmengen Abfall durch Abrisse
Pro Sekunde entstehen in der Schweiz über 500 kg Bauabfälle durch den Abriss von Bauten. Im Herbst 2022 zeigt das Schweizerische Architekturmuseum in Zusammenarbeit mit dem Verein «Countdown 2030» darum die Ausstellung «Die Schweiz: ein Abriss». Die beiden Organisationen wollen damit der Schweizer Bevölkerung zeigen, wie viel Abfall durch Abrisse entsteht, was mögliche Konsequenzen und Lösungsansätze sind.