Im Rahmen unserer Kampagne für ein Recht zu Reparieren und einen Konsum, der die Grenzen unseres Planeten respektiert, treffen wir unter der Bundeshauskuppel die Politikerin Delphine Klopfenstein Broggini. Sie setzt sich für die Kreislaufwirtschaft ein – ein wichtiger Ansatzpunkt, um aus der Wegwerfkultur auszubrechen.
Drei Fragen an Delphine Klopfenstein Broggini
- Was machst du?
- «Ich bin Nationalrätin, Präsidentin der Grünen in Genf, Vizepräsidentin von Pro Velo Schweiz und im Vorstand von Pro Natura. Ich engagiere mich für Fragen im Zusammenhang mit dem Klima, der Biodiversität, der Mobilität und der Gleichstellung.»
- Warum?
- «Für mehr soziale und Klimagerechtigkeit. Ich bin überzeugt, dass es nebst individuellem Handeln auch wirksame politische Massnahmen braucht.»
- Was wäre deiner Meinung nach nötig für mehr Kreislaufwirtschaft?
- «Ein stärkerer politischer Wille, ein verbindlicherer Rechtsrahmen und mehr Unabhängigkeit der Politik von der Wirtschaft. Sie sollte dem Gemeinwohl verpflichtet sein.»
Für einmal wird Greenpeace Schweiz ganz offiziell im Bundeshaus in Bern erwartet. Das Ziel: Delphine Klopfenstein Broggini kennenlernen. Trotz grauem Wetter ist der Empfang durch die Nationalrätin herzlich und dynamisch. Wir durchqueren rasch das imposante Gebäude und finden uns im Herzen des politischen Systems der Schweiz wieder. Das Gespräch findet in der legendären Wandelhalle statt, wo Politiker:innen und Lobbyist:innen aller Couleur während der Parlamentssitzungen hinter den Kulissen aktiv sind.
Seit 2019 ist Delphine Klopfenstein Broggini – die alle vier Landessprachen spricht! – gewählte Nationalrätin. Sie ist Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie. Die Kommission hat sich, unter anderem, mit dem Vorentwurf der Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) befasst. Dieser soll die Kreislaufwirtschaft im USG verankern. Wir erfahren nichts von den Diskussionen in der Kommission, abgesehen von teils schelmischen, teils enttäuschten Blicken, die im Laufe des Gesprächs kurz über das Gesicht der Nationalrätin huschen.
Zwei sich ergänzende Pfade
Auch wenn Umweltschutz schon immer Teil ihres Lebensstils war, hat die berufliche Laufbahn der 40-Jährigen im Vereinswesen begonnen: Umweltorganisationen, soziokulturelles Café, parallel dazu erste Demonstrationen gegen Freihandelsabkommen oder für die «Peoples Global Action». «Das ist der Nährboden, auf dem ich mich entwickelt habe und der mich geformt hat. Das Vereinswesen ist die Grundlage meines Engagements, ich kann es nicht von meinem politischen Werdegang trennen.»
Wieso führt der Weg vom Soziologiestudium in die Politik? «Unsere Gesellschaften werden durch Gesetze geregelt. Und die Politik ermöglicht es, den gesetzlichen Rahmen zu beeinflussen.» Gesetze werden kantonal und national festgelegt, da ist es nur logisch, dass die Genferin sieben Jahre lang im Grossen Rat des Kantons Genf sass, bevor sie vor zwei Jahren in die Hauptstadt wechselte… «Obwohl ich in Bern geboren bin, ist das Bundeshaus noch eine andere Welt! Es ist meine erste Legislaturperiode, ich musste mich erst an das politische System auf Bundesebene gewöhnen. Wenn man in die Session geht, ist es als beträte man einen Bienenstock: Es gibt sehr viele Interaktionen, aber alles bleibt unter sich. Aus diesem Grund sind die Verbindungen nach aussen unerlässlich, insbesondere die Verbindungen zur Umweltallianz.»
Kreislaufwirtschaft gesetzlich verankern
Delphine Klopfenstein Broggini setzt sich mit Nachdruck für die Kreislaufwirtschaft ein. «Meiner Meinung nach liegt hier am meisten Potenzial! Unsere Umweltauswirkungen werden zu einem grossen Teil davon bestimmt, wie wir unsere Produkte konsumieren und wie wir sie entsorgen.» Unser Abfall (über 700 Kilogramm pro Kopf und Jahr in der Schweiz) sage viel über unseren Lebensstil und unsere Konsumgesellschaft aus, die katastrophale Auswirkungen auf den CO2-Ausstoss hat.
«Für mehr Kreislaufwirtschaft braucht es eine verbindlichere Politik gegenüber der Wirtschaft. Individuelle Aktionen sind zwar willkommen, aber wir müssen mehr an den Rahmenbedingungen arbeiten», fährt die Umweltschützerin fort. Wo liegt die Balance zwischen der Wirtschaftsfreiheit und politischen Regelungen? «Ich sehe es an meiner parlamentarischen Initiative zum Verbot von Einwegsäcken, die nicht durchgekommen ist… Selbst ein Verbot dieses einfachen Alltagsgegenstands kommt nicht durch, obwohl es vor allem symbolisch wäre. Man sagt uns, dass sich die Branche selbst regulieren wird. Ich persönlich bin von der Wirksamkeit politischer Rahmenbedingungen überzeugt, aber wir haben derzeit nicht die politischen Mehrheiten dafür.»
Dennoch gibt es Mehrheiten, um voranzukommen: «Die Ergebnisse des Vorentwurfs für die Revision des USG, der die Kreislaufwirtschaft fördern will, sind insgesamt positiv, auch wenn sie nicht genügen. Das sieht man zum Beispiel auf der sprachlichen Ebene: da steht, dass der Bundesrat kann, aber nirgends steht, dass er muss.» Die Wahl des richtigen Verbs könnte die Einführung einer Kreislaufwirtschaft in der Schweiz viel schneller voranbringen… Sind es wirklich diese kleinen Details, an denen so viel hängt, an denen sich die Schweizer Politik entscheidet?
Die richtige Balance zwischen Idealismus und Kompromiss
«Einen Vorschlag zu erarbeiten, der zugleich ehrgeizig genug und mehrheitsfähig ist – das ist interessant, aber auch schwierig. Auch wenn sich die Zusammensetzung des Parlaments verändert hat, sind wir immer noch in der Minderheit. In manchen Gemeinden oder Kantonen werden Vorschläge leicht angenommen, aber hier unter der Bundeskuppel ist das nicht der Fall. Wir müssen anders Politik machen: Für unsere Vorstellungen kämpfen und auch bereit sein, kleine Schritte zu akzeptieren – ohne sich jemals damit zufrieden zu geben -, um voranzukommen.»
Die Abstimmungen zur Initiative Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung und dem Referendum über die Abschaffung der Stempelsteuer Mitte Februar haben gezeigt, dass es möglich ist, Gemeinschaftsinteressen über den individuellen Profit zu stellen. Und was, wenn die Kreislaufwirtschaft auch solidarisch wäre? «Die Kreislaufwirtschaft ist auch ein Bekenntnis zur Solidarität. Denn sie schafft neue Möglichkeiten, z. B. um neue Berufe mit kleineren, bürgernahen Strukturen oder eine eigenständige und inklusivere lokale Wirtschaft zu entwickeln.»
Als wir gehen, werfen wir einen Blick in den leeren grossen Saal des Nationalrats. Nur eine Reinigungskraft streicht diskret mit dem Staubwedel über das Podium. Ein gutes Zeichen: Es ist tatsächlich höchste Zeit, das Umweltschutzgesetz zu entstauben und einen ehrgeizigen Revisionsentwurf zur Förderung der Kreislaufwirtschaft vorzuschlagen.