Im Streit um eingeschwärzte Unterlagen zum Zustand von Beznau 1 gibt das Bundesverwaltungsgericht Greenpeace Schweiz recht und korrigiert die Geheimhaltungs-Praxis des ENSI. Die Atomaufsichtsbehörde darf ein 950-seitiges Dokument zur Abnützung des Druckbehälters nicht pauschal einschwärzen. Teile des Dokuments, die keine Geschäftsgeheimnisse enthalten, müssen zugänglich gemacht werden. Greenpeace ist damit ein wichtiger Etappensieg gelungen bei den Bestrebungen, Licht in die Blackbox Beznau zu bringen.

Die Bevölkerung hat ein Recht auf Informationszugang, wenn es um die AKW-Sicherheit geht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil von Anfang April festgehalten, das den betroffenen Parteien in diesen Tagen zugestellt worden ist. Die St. Galler Richter verpflichten das ENSI zu grösstmöglicher Transparenz: Ein 950-seitiges Dokument zur Abnützung des Herzstücks von Beznau 1 – der Versprödung des Reaktordruckbehälters – darf nicht pauschal eingeschwärzt werden.

Das Gericht argumentiert, das Dokument enthalte zwar auch Geschäftsgeheimnisse, eine pauschale Verweigerung der Veröffentlichung sei aber unverhältnismässig und verletze das Öffentlichkeitsprinzip sowie das Recht auf Informationszugang nach Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ). Gerade Untersuchungsergebnisse seien so weit als möglich öffentlich zugänglich zu machen, wegen dem überwiegenden Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz bezüglich der Reaktorsicherheit. Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz ist erfreut über das Urteil: «Das ENSI wird an seine Pflicht zur Transparenz erinnert. Die Behörde darf das Versteckspiel der Axpo zu Beznau nicht mehr mittragen.»

Veröffentlichung erst nach Wiederinbetriebnahme-Entscheid
Ein Wermutstropfen bleibt allerdings: Die Dokumente dürfen nicht vor dem Entscheid zum Wiederanfahren von Beznau 1 veröffentlicht werden. Dies ist insofern enttäuschend, als die betroffenen Dokumente 2011 erstellt wurden – lange bevor 2015 zusätzlich fast 1000 Materialfehler im Druckbehälter entdeckt wurden. Greenpeace Schweiz wird diesen Punkt des Urteils vertieft prüfen.

Langes juristisches Hin-und-her
Der aktuelle Entscheid des Bundesverwaltungsgericht hat eine längere Vorgeschichte: Im Februar 2015 hatte Greenpeace Schweiz gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz verlangt, dass ein 1000-seitiges Axpo-Dokument zur Abnützung des Druckbehälters veröffentlicht wird. Dieses Dokument war damals schon von grossem Interesse, weil Beznau 1 als ältester Reaktor der Welt eine vergleichsweise hohe Abnützung aufwies. Trotzdem wollte die Axpo die Anlage 15 Jahre länger betreiben. Diese Informationen haben massiv an Bedeutung gewonnen, seit im Sommer 2015 Materialfehler in den Stahlwänden des Druckbehälters entdeckt wurden. Die Anlage steht seither still. Die Kombination von Versprödung und Materialfehlern macht die Wiederinbetriebnahme des Reaktors fraglich.

Obwohl der Öffentlichkeitsbeauftragte das Gesuch von Greenpeace stützte, hatte das ENSI nur die Veröffentlichung einer knapp 50-seitigen Zusammenfassung verfügt, die restlichen 950 Seiten aber komplett unter Verschluss gehalten. Begründet hatte das ENSI diese Geheimniskrämerei vor allem mit dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Im März 2016 hatte Greenpeace beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen diese Verfügung erhoben.

Für weitere Informationen:
Florian Kasser, Atomexperte Greenpeace Schweiz, 076 345 26 55, [email protected]

Weiterführende Dokumente und Fotos:
Vollständiger Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
Fotos einer Aktion von Greenpeace-AktivistInnen zum Thema am Axpo-Hauptsitz in Baden am 8. September 2016


Chronologie   

Februar 2015: Greenpeace Schweiz verlangt den Bericht zum Zustand des Reaktordruckbehälters von Beznau 1. Gemäss Gesetz hat das ENSI 30 Tage Zeit, um Stellung zu nehmen.

August 2015: Das ENSI verweigert den Zugang zu 950 Seiten mit der Begründung, diese seien vollständig eingeschwärzt. Lediglich rund 50 Seiten werden zugestellt.

Dezember 2015: Der Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) stützt Greenpeace: Das ENSI muss den Bericht entschwärzen (mit Ausnahme von Fabrikationsgeheimnissen).

Januar 2016: Die Axpo sperrt sich gegen die Herausgabe des Berichts – ohne Begründung.

Februar 2016: Das ENSI stellt sich vollständig auf die Seite der Axpo und verhindert mittels einer Verfügung die Veröffentlichung.

März 2016: Greenpeace legt beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein gegen die ENSI-Verfügung.

April 2017: Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde im Wesentlichen gut und weist das Geschäft ans ENSI zurück. Eine pauschale Einschwärzung ist nicht zulässig.