Während die Modeindustrie auf dem Weg zu giftfreier Produktion weit vorangekommen ist, verschärft sie mit ungebremster Massenproduktion die Klimakrise, so ein Greenpeace-Report.
Die Detox-Kampagne von Greenpeace war ein Erfolg. Die Umweltschutzorganisation hat über einen Zeitraum von zehn Jahren genau das erreicht, was sie sich vorgenommen hatte: die Entgiftung von Lieferketten im globalen Maßstab. Einige der größten Textilhersteller der Welt hatten sich gegenüber Greenpeace verpflichtet, ihre Kleidungsstücke künftig ohne gesundheitsschädliche Chemikalien zu produzieren – und halten dieses Versprechen auch weitestgehend ein, wie ein aktueller Report dokumentiert.
Die Freude darüber ist allerdings getrübt: Nach wie vor ist die Modeindustrie alles andere als umweltfreundlich – doch ihr Problem liegt nicht länger hauptsächlich bei Weichmachern und Farbstoffen, sondern in der Überproduktion.
Schluss mit Überproduktion! Reparieren, statt neu kaufen!
Für die Untersuchung hat Greenpeace sich 29 Unternehmen näher angeschaut – von insgesamt rund 80, die das Detox-Commitment unterschrieben haben. Sie alle verzichteten in über 90 Prozent ihrer Produktionsstätten auf giftige und besonders umweltschädliche Chemikalien. Greenpeace kritisiert an vielen Stellen mangelnde Transparenz, so hat fast ein Drittel der kontrollierten Markenunternehmen – darunter Nike und Adidas – keine detaillierten Abwasser-Testergebnisse oder -Analysen in seinen jüngsten Berichten aufgeführt. Unterm Strich: Auch wenn die Tendenz stimmt, bleibt Detox vorläufig ein Prozess – die Entgiftung ist noch nicht am Ende.
Das Problem der Modeindustrie ist Fast Fashion
Ein größeres Problem für den Klimaschutz stellt hingegen das Geschäftsmodell von Unternehmen wie Primark oder H&M dar: wöchentlich wechselnde Kollektionen für wenig Geld, zum Teil sogar täglich neue Unterkollektionen, die in hohen Stückzahlen produziert werden und letztlich nichts weiter als Wegwerfware sind. Entweder landen sie direkt ab Lager im Abfall oder kaum getragen im Hausmüll der Konsument:innen. Der gewaltige Überschuss an Kleidung, die nicht benötigt wird, belastet auch das Klima.
Rund 200 Milliarden Kleidungsstücke wurden im Jahr 2020 weltweit hergestellt – etwa doppelt so viel wie im Jahr 2014. Verkauft wurden 2020 hingegen “nur” 160 Milliarden. Dazu kommt, dass selbst die gekaufte Kleidung zum großen Teil gar nicht benutzt wird. Eine Greenpeace-Untersuchung unter deutschen Verbraucher:innen im Jahr 2015 ergab, dass ein Fünftel der Kleidung in deren Kleiderschränken nie getragen wird. Das ist ein gigantischer Klamottenberg, der unter Einsatz von klimaschädlichen Treibhausgasen völlig umsonst hergestellt wurde.
Kein Problembewusstsein
Um unsere Lebensgrundlagen zu retten, muss die Erderwärmung unter der kritischen Marke von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau bleiben. Wir kämpfen derzeit um jedes Hundertstelgrad – Verschwendung in diesem Maßstab kann sich die Gesellschaft schlichtweg nicht leisten.
Ein Problembewusstsein bei den Verursachenden gibt es bislang – anders als bei Umweltgiften – aber nicht. “Besonders kurz vor dem erfundenem Konsumfest Black Friday locken die Konzerne mit massiven Werbekampagnen zu Impulskäufen”, sagt Viola Wohlgemuth, Expertin für Konsum bei Greenpeace. “Unverkaufte Ware landet dann trotz Gesetz immer häufiger im Schredder oder wird als Müll in den globalen Süden transportiert, landet dort auf illegalen Abfallkippen und vermüllt beispielsweise bereits ganze Wüsten in Südamerika.”
Die Lösung? “Aus Textilhändlern müssen Textildienstleister werden”, sagt Wohlgemuth. Denn bis auf wenige Lippenbekenntnisse zur Kreislaufwirtschaft sind Angebote zum Reparieren, Mieten oder für Second-Hand-Kleidung bei den untersuchten Firmen Mangelware. Dass die Textilindustrie durchaus in der Lage ist, sich zu verändern, zeigt der Erfolg der Detox-Kampagne. Doch sie wird es nicht freiwillig tun, glaubt die Greenpeace-Expertin: “Ohne das Entschleunigen der Warenströme, also weniger Kollektionen, wird Kreislaufwirtschaft eine schöne Werbelüge bleiben, Wir brauchen dazu eine gesetzliche Regulierung. Der Ball liegt jetzt bei der künftigen Bundesregierung.”