Die Schweizer Atomindustrie ist nicht länger gewillt, das Atommüllproblem zu lösen. Sie beabsichtigt, die gesamte Menge des aus dem Betrieb der Atomkraftwerke anfallenden hochaktiven Abfalls nach Russland abzuschieben. Dies geht einer gemeinsamen Absichtserklärung der Schweizer Atomindustrie mit dem Russischen Ministeriums für Atomenergie (Minatom) hervor. Das Dokument wurde der Umweltorganisation Greenpeace zugespielt.
Zürich. Zwischen den Schweizer AKW-Betreibern, vertreten durch Herbert Bay von der NOK und dem russischen Atomenergie-Ministerium (Minatom) sowie der deutschen Mittelsfirma «Internexco» wurde am 17. September 1998 in Zürich eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich Atommüllentsorgung unterzeichnet. Danach sollen 2000 Tonnen abgebrannte Brennelemente zwischen den Jahren 2000 und 2030 nach Russland abgeschoben werden. Mit diesem Handel würden sämtliche neu anfallenden hochaktiven Abfälle aller Schweizer AKW (bis zu einer Betriebszeit von 40 Jahren) im Ausland entsorgt. Zusätzlich wünschen die Schweizer Betreiber, den in den Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague (F) und Sellafield (GB) angefallenen Hochaktiv-Abfall in die Russische Föderation zu transportieren. Die vorliegende Absichtserklärung übertrifft jedes vorstellbare Mass an Verantwortungslosigkeit. Ausgerechnet Russland, wo kaum Umweltrichtlinien existieren, wo die Leute schutz- und hilflos radioaktiver Strahlung ausgesetzt werden und und anstelle der Sanierung früherer Atomkatastrophen Milliarden in die Entwicklung neuer atomarer und biologischer Waffen gesteckt wird soll für die Schweizer AKW-Betreiber als Atommüllager herhalten. Die Beweggründe der Schweizer Atomindustrie sind materieller Art. Mit der Billigentsorgung von Atommüll in der Russischen Föderation kann der Produktionspreis des Atomstroms in einem Mass gesenkt werden, der die Überlebenshoffnungen der Atomindustrie auf einem liberalisierten europäischen Strommarkt nicht zum vornherein im Keime ersticken lässt. Die von der Atomindustrie anvisierte Abschiebung des Atommülls torpediert die Arbeit der Nagra auf diesem Gebiet. Damit kann der Entsorgungsnachweis der Betreiber, welcher im Bundesbeschluss zum Atomgesetzt verankert ist nicht mehr länger geltend gemacht werden. Sowohl russisches wie Schweizer Recht wird durch diese Absichtserklärung unterminiert: Die Schweizer Strahlenschutzgesetzgebung verbietet die Entsorgung von Atommüll im Ausland wie auch die russische Gesetzgebung die Lagerung ausländischen Atommülls auf dem Gebiet der Russischen Föderation verbietet. Die vorliegende Absichtserklärung provoziert eine Reihe von Fragen: Wer entscheidet über das Schicksal von Schweizer Atommüll? – das russische Atomenergieministerium zusammen mit den hiesigen AKW-Betreibern oder der Bundesrat? Wurden Bundesrat Cotti oder das Bundesamt für Aussenwirtschaft bei ihrem Staatsbesuch im Dezember in Moskau über diesen Handel informiert? Weiss in der Schweizer Energiepolitik die rechte Hand überhaupt noch, was die Linke tut? Greenpeace fordert eine sofortige Intervention des Bundesrats und eine verbindliche Erklärung, die einen solchen Handel für alle Zukunft ausschliesst.
Kontakt:
Stefan Füglister, Koordinator der Atomkampagne 01 / 447 41 41