Die Agroindustrie behauptet unablässig, dass das Pflanzengift Glyphosat für die menschliche Gesundheit unschädlich ist. Gleichzeitig steht Bayer als Hersteller von Glyphosat in den USA vor Gericht, weil über 125’000 Klägerinnen und Kläger glauben, dass ihr Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) auf den Einsatz von Roundup, einem Glyphosat basierten Produkt zurückzuführen ist. Was stimmt nun?
Der Wirkstoff Glyphosat blockiert ein Enzym, das nur in Pflanzen und Mikroorganismen vorkommt. Damit könne es Menschen gar nicht schädigen, so Bayer. Ausserdem sei Glyphosat vor seiner Zulassung umfassend geprüft worden und sicher. Diese Aussage ist kritisch zu hinterfragen. Denn die Mängel im Zulassungsverfahren von Pestiziden sind eklatant, wie im Greenpeace-Magazin bereits an anderer Stelle gerügt wurde. Andererseits wurden und werden Studien der Agrochemie häufig manipuliert, um neue Pestizide auf den Markt bringen oder ältere im Markt halten zu können, dies aufgrund von finanziellen Interessen1. Somit können wir uns nur auf Studien unabhängiger Wissenschaftler:innen abstützen.
Im Fokus der Öffentlichkeit rund um die Auswirkungen von Glyphosat-Anwendung steht mit Abstand an erster Stelle das Non-Hodgkin-Lymphom. Dieses wurde vor allem an Landwirtinnen und Landwirten sowie deren Familien und Angestellten in jahrzehntelangen Studien untersucht. In der grössten amerikanischen Studie fand sich eine Erhöhung des Risikos der Teilnehmenden für dieses Krebsleiden um 41 Prozent2. Die grösste internationale Studie aus Frankreich, Norwegen und den USA zusammen mit 316’000 Teilnehmer:innen ergab vergleichbare Werte mit einem um 36 Prozent erhöhten Risiko3.
Glyphosat hat aber viele weniger bekannte Wirkungen. Die aktive Wirksubstanz kommt nie in reiner Form zur Anwendung, sondern immer zusammen mit Hilfsstoffen als sogenannte Glyphosat basierte Herbizide (GBH). Die Hilfsstoffe ermöglichen dem Glyphosat, in die Pflanzen einzudringen und sie absterben zu lassen. Die Hilfsstoffe erhöhen die Giftwirkung von Glyphosat. Sie wurden im Zulassungsverfahren aber nicht geprüft4.
Glyphosat ist auch als Antibiotikum patentiert. In unserem Darm beeinflusst es die Gesamtheit unserer Darmkeime, das sog. Mikrobiom, negativ und stört damit dessen äusserst wichtige Funktionen wie die Kontrolle von Stoffwechselvorgängen, die Mithilfe bei der Verdauung und nicht zuletzt die Immunabwehr. Glyphosat stört das Gleichgewicht nützlicher zugunsten eher schädlicher Keime in unserem Darm und selektioniert problematische Organismen wie Salmonellen, Clostridien und andere, die uns wie auch Tiere krank machen können. GBH sind massgeblich an der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen beteiligt, die dazu führen, dass den Ärzten und Ärztinnen die wirksamen Antibiotika ausgehen mit z. T. fatalen Folgen5.
Ein weiteres Patent von Glyphosat ist seine Wirkung als sogenannter Chelator. Es kann eingesetzt werden, um Leitungsrohre zu entkalken. In Ackerböden löst es jedoch giftige Schwermetalle wie Blei, Cadmium aber auch Arsen und ermöglicht ihre Aufnahme durch Pflanzen. Gleichzeitig bindet es Spurenelemente wie z. B. Zink, das unter anderen für eine gesunde Haut von Menschen und Tieren nötig ist. Das führt zu nicht heilenden Hautgeschwüren und kann zum teilweisen Absterben von Ohren oder Schwänzen führen, wie sich bei Nutztieren beobachten lässt6.
GBH sind hormonell wirksam als sogenannte endokrine Disruptoren. Diese Wirkung tritt in sehr tiefen Konzentrationen auf von millionstel Gramm. Solche Konzentrationen wurden und werden im Zulassungsverfahren nicht geprüft. Besonders gefährdet sind ungeborene Kinder, die Missbildungen erleiden können. Andere Effekte sind sogenannt epigenetische Veränderungen, d. h. eine Fehlleitung der Funktionen des Erbgutes, die zu Leberverfettung bis zur Leberfibrose (Leberverhärtung bis Leberzirrhose) und Diabetes (Zuckerkrankheit) führen können. Besonders tragisch dabei ist, dass epigenetische Veränderungen vererbbar sind. In diesem Zusammenhang verursachen GBH auch Fruchtbarkeitsstörungen bei beiden Geschlechtern6,7.
Glyphosat wirkt ausserdem als Succinat Dehydrogenase-Hemmer (SDHI) und damit als Fungizid, d.h. es tötet Pilze ab. Es stört dabei den Energiestoffwechsel der Zellen, indem es ihre Energieproduktion blockiert. Was das für Folgen hat, kennen wir mehr von der Blausäure (Zyankali)6.
Alle diese gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen von Glyphosat wären Grund genug, diesen Wirkstoff in der EU sofort vom Markt zu nehmen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies zuerst in den USA geschehen wird, sollten multiple Gerichtsverfahren die krebserregende Wirkung von Roundup bestätigen. Bayer hat für die anstehenden Vergleiche mit den Kläger:innen bereits 10 Milliarden Dollar zurückgestellt8.
In der EU steht die nächste periodische Überprüfung von Glyphosat 2022 an. Sollte dem Wirkstoff dann die Marktzulassung entzogen werden, folgt die Schweiz in der Regel etwas später nach. Vielleicht können wir da etwas nachhelfen?
Dr. med. Jérôme Tschudi untersucht schon seit Jahren die gesundheitlichen Auswirkungen von Pestiziden. Jüngst fungierte der Bieler Arzt für die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» als medizinischer Berater.
Meistens wissen wir gar nicht wie viele und welche Pestizide in unserer Wohngemeinde versprüht werden. Darum frage hier in deiner Gemeinde nach und finde heraus, welche Substanzen von der lokalen Landwirtschaft sowie der Gemeinde für den Unterhalt der Parks, Gärten und Verkehrswegen verwendet werden.
- McHenry LB. The Monsanto Papers: Poisoning the scientific well. Int J Risk Saf Med. 2018;29(3-4):193-205. doi:10.3233/JRS-180028
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- Leon ME, Schinasi LH, Lebailly P, et al. Pesticide use and risk of non-Hodgkin lymphoid malignancies in agricultural cohorts from France, Norway and the USA: a pooled analysis from the AGRICOH consortium. Int J Epidemiol. 2019;48(5):1519-1535. doi:10.1093/ije/dyz017
- Mesnage R, Bernay B, Séralini GE. Ethoxylated adjuvants of glyphosate-based herbicides are active principles of human cell toxicity. Toxicology. 2013;313(2-3):122-128. doi:10.1016/j.tox.2012.09.006
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- Anita Schwaier. Weiterer Wirkungsmechanismus von Glyphosat nachgewiesen. 03.10. 2015 PSM/EpigenAntoniouKorrekturASa151015.docx
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- Cohen P. Roundup Maker to Pay $10 Billion to settle Cancer Suits. New York Times, June 24, 2020