Bonn wird in Kürze noch einmal zum Nabel der Welt. Wie früher, als die Stadt noch regelmäßig hohen Besuch bekam und Regierungsvertreter aus aller Welt dicke Aktentaschen mit sich schleppten. Damals wateten deutsche Parlamentarier auch schon mal mit hochgekrempelten Hosen durchs Rheinhochwasser und mussten sich fragen lassen, ob der Klimawandel noch aufzuhalten sei. Während Politiker weiter mit den Achseln zucken, zeigen manche Unternehmen Lösungen auf.
Hamburg. Die internationale Wirtschafts- initiative «e-mission 55» ist innerhalb weniger Wochen zu einem Zusammenschluss von rund hundert europäischen, drei japanischen und zwei US-amerikanischen Unternehmen herangewachsen. Was sie alle eint, ist die Sorge ums Klima. Was sie motiviert, ist die Erkenntnis, dass man mit Umweltschutz Gewinne machen kann. Was sie ärgert, ist die Blockadepolitik der Vereinigten Staaten. Die USA produzieren die bei weitem größten Klima-Belastungen. Sie pusten über ein Viertel der weltweiten Treibhausgase in die Atmosphäre. Das macht sie zur Schlüsselfigur für einen wirksamen Klimaschutz. Aber die US-Regierung hat angekündigt, man werde sich nicht am Klimaschutz à la Kyoto beteiligen. Dagegen formiert sich derzeit die einflußreiche Allianz führender Wirtschaftsunternehmen. Zum Kreis von «e-mission 55» gehören die Deutsche Telekom, die Deutsche Bahn, der Otto Versand, der Versicherungskonzern Gerling und die AEG-Hausgeräte. «Bei uns und in anderen Unternehmen hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass Energieffizienz auf lange Sicht äußerst kostengünstig ist», sagt Otto Merck vom Otto Versand. Seit 1993 hat man dort den Energieverbrauch und damit den Ausstoß von Treibhausgasen um 48 Prozent gesenkt. Wie? Schiene und Binnenschiffe statt LKW und Flugzeuge. Und statt billigeren Airlines mit hohem Energieverbrauch nutzt der Otto Versand die Lufthansa, die sparsamer mit Treibstoff umgeht. Auch die Bahn will sparen: Zwischen 1993 und 2005 soll der Energieaufwand des Unternehmens um 25 Prozent reduziert werden. Ähnliche Ambitionen hat der Verband der Deutschen Chemischen Industrie (VCI): In seiner Stellungnahme vom Mittwocch heißt es, die deutsche Chemie-Branche werde die relevanten Treibhausgase Kohlendioxid und Lachgas bis 2012 um 45 bis 50 Prozent und den spezifischen Energieverbrauch um 35 bis 40 Prozent unter die Werte von 1990 senken. VCI und «e-mission 55» sind sich einig darüber, dass sich die USA aktiv am Klimaschutz beteiligen müssen. Die ablehnende Haltung der USA zum Kyoto-Protokoll wird das zentrale Thema bei der UN-Klimakonferenz in Bonn sein. Wie am Donnerstag bekannt wurde, verkürzt sich die Konferenz um drei Tage. Sie startet nicht, wie ursprünglich geplant, am 16. Juli, sondern erst am 19. und geht wie vorgesehen am 27. zu Ende. In Bonn verhandeln die 170 Vertragsstaaten über das Protokoll von Kyoto aus 1997. Dieses Protokoll verpflichtet die Industriestaaten, den Ausstoß der wichtigsten Treibhausgase bis 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu vermindern. Diese Maßnahmen sollen spätestens Ende 2002 in Kraft treten. Um völkerrechtlich verbindlich zu sein, muss das Kyoto-Abkommen von mindestens 55 Staaten ratifiziert werden, auf die mindestens 55 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen entfallen.