Aktuell kann man nicht sagen, dass die Schweizer Landwirtschaft besonders nachhaltig wäre. Insbesondere wegen dem Stellenwert der Tierproduktion. Die hiesige Massentierhaltung, die auf Futtermittelimporte angewiesen ist, schädigt Gewässer in der Schweiz wie im Ausland massiv. Dass Schweizer Nutztiere massgeblich mit importiertem Futter ernährt werden, ist ein doppeltes Umweltproblem. Es führt zu Umweltbelastungen in den Anbauländern aber auch in der Schweiz, weil es hierzulande die Haltung einer hohen Anzahl Tiere ermöglicht. Greenpeace unterstützt daher die Initiative für sauberes Trinkwasser: Demnach sollen nur noch jene Betriebe subventioniert werden, die ökologischen Landbau betreiben, also ohne Futtermittelimporte und Pestizide auskommen.
Eine Hauptquelle der Gewässerverschmutzung in der Schweiz ist der Stickstoff. Dieser wird durch Gülle freigesetzt, welche auf den Feldern ausgebracht wird. So produziert die Schweizer Landwirtschaft jedes Jahr fast 100’000 Tonnen an Stickstoffüberschüssen. Ein Viertel davon ist auf Futtermittelimporte zurückzuführen. Stickstoffverbindungen führen zur Überdüngung von Böden und Gewässern und tragen zur globalen Erwärmung bei. Dadurch sind Futtermittelimporte sowohl in der Schweiz als auch in den Erzeugerländern eine Quelle von Treibhausgasemissionen.
Die aktuellen Statistiken zu Futtermitteleinfuhren geben Auskunft über importierte Mengen, jedoch nicht über die Zusammensetzung des Futters. Kraftfutter weist eine hohe Kaloriendichte bei relativ geringem Gewicht auf. Rein mengenmässig scheinen die Importe nicht sehr umfangreich. Aufgrund seiner Energiedichte ermöglicht Kraftfutter jedoch die Fütterung einer grossen Anzahl von Tieren. Die Statistik verschleiert somit die Bedeutung von importiertem Futter für die Schweizer Tierproduktion.
Futtermittelimporte halten den Tierbestand in der Schweizer Landwirtschaft künstlich hoch und fördern die umweltschädliche Massentierhaltung. Das schlimmste Beispiel ist die Geflügelzucht. Derzeit werden in der Schweiz jährlich rund 69 Millionen Stück Geflügel gezüchtet. Ohne Futtermittelimporte könnte die Gesamtzahl nicht mehr als 12 Millionen Stück betragen, das sind noch 17 Prozent der aktuellen Zahl.
Mit lokalen Ressourcen
Ein Ende der Futtermittelimporte und der Massentierhaltung würde somit nicht bedeuten, dass wir ganz auf tierische Produkte verzichten müssten. Eine nachhaltige Landwirtschaft, die mit den lokal verfügbaren natürlichen Ressourcen auskommt, produziert immer noch eine bedeutende Menge an Fleisch, Milch und Eiern. 2018 hat Greenpeace Schweiz das Modell «Landwirtschaft mit Zukunft» entwickelt. Dieses zeigt, wie eine nachhaltige, an die globale Erwärmung angepasste Landwirtschaft im Jahr 2050 aussehen könnte. Die Schweizer Landwirtschaft wäre damit immer noch in der Lage, ganze 10 kg Fleisch, 273 kg Milch und 48 Eier pro Person und Jahr zu produzieren.
Der Vorteil einer nachhaltigen Landwirtschaft liegt auf der Hand: Sie kann die Bevölkerung ernähren, ohne jene katastrophalen Folgen für Biodiversität und Klima, die das aktuelle Landwirtschaftsmodell verursacht. Aus diesem Grund fordern Umweltorganisationen und viele Landwirt*innen eine Änderung der Schweizer Agrarpolitik. Leider ist die Debatte um die Landwirtschaftspolitik im Parlament blockiert. Auch wenn die Massentierhaltung nur eine Minderheit der Landwirt*innen betrifft, ist sie für vorgelagerte Sektoren und nachgelagerte Nahrungsmittelkonzerne wichtig. Die mit diesen Interessen verbandelten Lobbys wirken im Verborgenen, um die ökologische Transition der Schweizer Landwirtschaft zu stoppen.
So kann es nicht weitergehen. Die Schweizer Bevölkerung verfügt über die Instrumente der direkten Demokratie, und kann somit die Agrarpolitik durch Initiativen voranbringen. Die Annahme der Initiative für sauberes Trinkwasser ist ein wichtiger Schritt, um das Modell der nachhaltigen Landwirtschaft zu etablieren. Etliche Landwirt*innen haben sich bereits für eine umweltschonende Produktion entschieden und tragfähige Wirtschaftsmodelle für ihre Betriebe gefunden. Damit dieser Weg für alle gangbar wird, insbesondere für jene Betriebe, die sich bisher auf die Viehzucht konzentriert haben, braucht es jedoch geeignete politische Rahmenbedingungen. Der Wandel muss mit den Landwirt*innen und nicht gegen sie erfolgen. Es darf nicht sein, dass die Landwirt*innen mit den Risiken alleingelassen werden.
Jetzt muss es schnell gehen
Es liegt nun an der Politik, Massnahmen für eine neue Agrarpolitik zu beschleunigen, welche mit den Zielen des Bundes im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz übereinstimmt. Noch ist es möglich, die Klimakrise zu bekämpfen und das Artensterben in Grenzen zu halten. Der Zeitraum, in welchem wir noch handeln können, läuft jedoch unweigerlich ab. Es muss jetzt schnell gehen, wenn wir noch eine Chance auf eine nährende und nachhaltige Landwirtschaft haben und die schlimmsten Folgen der aktuellen ökologischen Krisen vermeiden wollen.
Daher engagiert sich Greenpeace für ein JA zur Initiative für sauberes Trinkwasser. Unsere Parole lautet sogar #2XJA zu den beiden Initiativen für eine ökologische Landwirtschaft am 13. Juni.
Aufruf zur Abstimmung
Der Sonntag, 13. Juni ist ein zentraler Abstimmungstag für die Umwelt und das Klima. Neben den beiden Landwirtschaftsinitiativen wird über eine weitere wichtige Vorlage abgestimmt: Das neue CO2-Gesetz. Greenpeace setzt sich vehement für ein JA zum neuen Gesetz ein. Mit einem JA zu allen drei Vorlagen engagieren wir uns für sauberes Wasser, fruchtbare Böden und unsere Gesundheit sowie einen besseren Klimaschutz.
Greenpeace hat das neue CO2-Gesetz während der Beratung im Parlament immer wieder als ungenügend kritisiert, weil die darin enthaltenen Massnahmen nicht ausreichen, um die Klimaziele der Schweiz zu erreichen. Trotzdem sagt Greenpeace nun überzeugt Ja. Eine Ablehnung dieses Gesetzes würde die Schweiz in Sachen Klimaschutz um Jahrzehnte zurückwerfen. Angesichts der Dringlichkeit der aktuellen Klimakrise wäre der von der Auto- und Erdöllobby geforderte Rückschritt dramatisch. Dieses Gesetz ist ein wesentlicher erster Schritt hin zu einer konsequenten Klimapolitik. Sag deshalb auch du Ja zum neuen CO2-Gesetz.