Rund 30 Prozent des Pantanals, eines artenreichen Feuchtgebiets südlich des Amazonas, brannte 2020 ab. Ein aktueller Report von Greenpeace International deckt die Hintergründe und Zusammenhänge auf. Die Verflechtungen reichen auch zu Schweizer Konzernen wie Nestlé und Credit Suisse.
Mit seinem Netz von Flüssen und Seen ist das Pantanal eines der grössten Binnen-Feuchtgebiete der Erde und mit einer Grösse von 160’000 Quadratkilometern fast viermal so gross wie die Schweiz. Ein Naturparadies, das unter anderem Kapuziner- und Brüllaffen, Wasserschweine, Riesenotter und die grösste Jaguar-Population der Welt beherbergt. Als Feuchtgebiet erfüllt es eine wichtige Aufgabe im globalen Klimaschutz, da es besonders viel Kohlenstoff speichert und daher als so genannte Kohlenstoffsenke das Klima schützt. Doch die Brände machen daraus einen Friedhof.
Weideland statt Wildnis
Der Wandel des Pantanals vom Natur- zum Agrarland verläuft weitgehend unbemerkt: 90 Prozent des Gebiets gehört Privatleuten, 80 Prozent ihres Besitzes dürfen sie legal abholzen. Besonders auf den Hochebenen, an die das tief liegende Sumpfgebiet grenzt, hat sich die Landwirtschaft mit all ihren Nebenwirkungen bereits unkontrolliert ausgebreitet: Durch das Abholzen erodieren die Böden, Flüsse trocknen aus, die jährlichen Überschwemmungen bleiben aus. Hinzu kommen Schäden durch den Einsatz von Agro- Chemikalien und Quecksilber bei der Suche nach Gold und Diamanten.
Ein Funke genügt
Auf das Pantanal hat dies enorme Auswirkungen: Wie ein grosser Schwamm speichert das Land in der Regenzeit Wasser und versorgt Millionen Menschen mit dem kostbaren Nass. Doch nach zwei Jahren Dürre ist das Feuchtland ausgetrocknet, viele Flüsse führen kaum noch Wasser. Seit Mitte 2020 ist die Brandrodung verboten, mit der die Landbesitzer ihre Böden für die Rinderzucht vorbereiten. Denn angesichts der grossen Trockenheit genügt ein Funke, und die Feuer geraten ausser Kontrolle. Trotzdem waren 98 Prozent der Brände nachweislich von Menschen verursacht. Der Verdacht ist, dass in vielen Fällen Viehzüchterinnen und Viehzüchter absichtlich Feuer legen, um sich illegal Weideland anzueignen. Die brasilianische Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro kümmert das kaum: Die Brandstifter bleiben ungestraft. Greenpeace hat recherchiert, wer die Verantwortlichen sind.
Die Fleischwirtschaft als Haupttreiber der Amazonaszerstörung
Bereits 2009 hat Greenpeace mit der Studie «Wie Rinder den Regenwald fressen» nachgewiesen, dass die industrielle Fleischproduktion den Amazonas zerstört und die Klimakrise anheizt. Die bisherige Umweltgesetzgebung und die Kontrollen der lokalen Lieferketten reichen nicht aus, um die Ausbreitung der Rinderfarmen in die intakte Natur zu stoppen. Mit der neuen Recherche hat Greenpeace die Aktivitäten von 15 Farmen über viele Monate beobachtet und analysiert. Diese produzieren Rindfleisch für drei der weltweit grössten Fleischproduzenten – JBS, Marfrig und Minerva. Alle verantworten Brände, Umweltverstösse oder Unregelmässigkeiten bei der Registrierung ihrer Grundstücke. In vielen Fällen haben die Feuer zu ausgedehnten Bränden weit über die Grundstücksgrenzen hinaus beigetragen. Offizielle Transportdokumente, die Greenpeace vorliegen, identifizieren sie als Zulieferer für 14 konzerneigene Fleischverarbeitungsbetriebe. Den Versanddaten zufolge exportierten diese zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Oktober 2020 zusammen mehr als eine halbe Million Tonnen Rindfleisch und Rindfleischprodukte im Wert von fast drei Milliarden US-Dollar. Der grösste Anteil wurde nach Asien geliefert, aber auch die EU gehört zu den Abnehmern.
JBS
JBS ist nach eigenen Angaben das weltweit grösste Unternehmen für tierisches Eiweiss und nach Nestlé das zweitgrösste Lebensmittelunternehmen der Welt (gemäss Jahresumsatz). Greenpeace veröffentlichte im letzten Sommer den Bericht «How JBS Is Still Slaughtering the Amazon», welcher aufzeigt, wie der Konzern in Korruption, Abholzung und Menschenrechtsverletzungen verwickelt ist. Der Bericht kritisierte insbesondere das Versagen von JBS und den anderen grossen Fleischverarbeitern, die freiwilligen Verpflichtungen zu erfüllen, die sie 2009 im Rahmen des G4-Rinderabkommens eingegangen waren. Die Auswirkungen von JBS auf das Klima und die Ökosysteme Südamerikas sind tiefgreifend: Schätzungen zufolge verursacht das Unternehmen etwa die Hälfte der jährlichen Kohlenstoffemissionen von fossilen Brennstoffgiganten wie Exxon Mobil oder Shell, vor allem durch die Abholzung von Wäldern im Zusammenhang mit seinen Rinderlieferketten und der Produktion von Soja für Tierfutter. JBS hat mit seinem Geschäftsmodell ein Erwärmungspotenzial von 8 Grad Celsius, das ist sogar mehr als Shell mit 6,7 Grad oder Exxon mit 7,8 Grad Celsius.
Verbindungen in die Schweiz
Die Schweiz importiert zwar kaum mehr Fleisch aus Brasilien, im Gegensatz zu brasilianischem Sojaimport. Neben dem ungestillten Hunger für Weideland bedroht auch die wachsende Sojaproduktion im und rund um das Pantanalgebiet die verbleibende intakte Natur. Die Schweiz hängt da ebenfalls mit drin! Die starke Schweizer Abhängigkeit von Futtermittelimporten zeigt auf, dass die Politik es der Landwirtschaft nicht ermöglicht, an den Standort Schweiz angepasst zu produzieren. Das heisst: weniger Nutztiere und strikte Importverbote von tierischen Produkten, damit das Problem nicht einfach ins Ausland verlagert wird.
Nestlé
Lebensmittel- und Fastfoodkonzerne gehören zu den wichtigen Kunden von JBS. Die Recherchen zeigten direkte Handelsbeziehungen von einer oder mehreren der 14 Fleischverarbeitungsbetriebe zu Kunden wie Nestlé, Burger King und McDonald’s auf. Nestlé hat mit seinem gegenwärtigen Geschäftsmodell ein Erwärmungspotenzial von 5,5 Grad – und ein wichtiger Grund für diese hohe Zahl ist die Verarbeitung von tierischen Produkten. Zwar hat der weltweit grösste Lebensmittelkonzern Ende 2020 verkündet, seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 zu halbieren und entlang der gesamten Lieferkette bis 2050 das Netto-Null Ziel zu erreichen. Dies wird jedoch kaum klappen, solange er Abnehmer von Konzernen wie JBS bleibt, welche seit über zehn Jahren leere Nachhaltigkeitsversprechen an ihre Abnehmer und Finanzierer abgeben. Auch das globale Investoren-Netzwerk FIARR warnt davor, dass Marken wie Nestlé und Mc Donald’s ihre verkündeten Klimaziele nicht erreichen werden, weil es bisher keine signifikanten Fortschritte bei der Reduktion von tierischen Produkten in ihrer Produktpalette gibt. FIARRs ESG Risiko Analyse zeigt auf, dass 86 Prozent der globalen Fleisch- und Molkereiproduzenten das Ausmass ihrer Treibhausgasemissionen verheimlichen und sich bisher keine umfassenden Reduktionsziele gesetzt haben. Nestlé wiederum behauptet, dass man mit den Rohstoffanbietern auf Partnerschaft und Engagement setzt. Dies hat bei den Tochterfirmen von JBS, Marfrig und Minerva bisher aber offensichtlich nicht gefruchtet.
Credit Suisse und die Rolle des Finanzsektors
Alle drei brasilianischen Fleischkonzerne sind in hohem Masse von Fremdfinanzierung abhängig. Sie sind auf die Refinanzierung von Schulden durch europäische Finanziers angewiesen. Laut einer Ende 2020 erschienenen Studie von Chain Reaction Research gehört die Credit Suisse zu den europäischen vier Top-Finanzierern von JBS und Minerva. Im Fall von JBS durch Kreditvergaben und bei Minerva durch Underwriting. Trotz diversen neuen Klimaschutzankündigungen und Mitwirkung in der «Taskforce on Nature related Financial Disclosure» fehlt es Credit Suisse weiterhin an Richtlinien und Instrumenten, welche eine Nullabholzungspolitik für Fleischproduktion bedingen würden. Nicht zuletzt finanzieren auch weitere Schweizer Banken diese Industrie. Der Complicity in Destruction III Bericht von Amazon Watch zum Beispiel nennt auch die UBS in Verbindung mit JBS.
Durch die Finanzierung von Konzernen wie JBS, Marfrig und Minerva tragen die Finanzinstitute eine Mitverantwortung für die Zerstörung von Ökosystemen von weltweiter Bedeutung. Als positives Beispiel hat der nordische Investor Nordea Asset Management im letzten Sommer die Konsequenzen gezogen und angekündigt, dass er JBS von allen Anlagen ausgeschlossen hat. Nun braucht es dringend weitere solche Beispiele. Neben den sozialen und ökologischen Argumenten gibt es vermehrt auch steigende wirtschaftliche Risikofaktoren. Die Studie von Chain Reaction zeigt auf, wie die Markt-, Reputations- und Technologierisiken der Fleischproduzenten kontinuierlich ansteigen könnten. Auch die debattierte EU-Gesetzgebung zur Reduktion der Abholzung in den Lieferketten von importierten Rohstoffen wird Auswirkung auf die Finanzierungskosten haben.
Die geplanten EU-Mercosur- und EFTA-Mercosur-Abkommen kurbeln wiederum die Produktion von Fleisch an – wie etwa durch eine zusätzliche Jahresquote für 99’000 Tonnen Rindfleisch-Importe in die EU. Solche Abkommen dürfen deshalb aus unserer Sicht nicht in Kraft treten.
Nicht zuletzt: Nestlé ist inzwischen auch ein Schwergewicht in immer mehr sogenannten Nachhaltigkeitsfonds für nachhaltige Anleger geworden, wie zum Beispiel mit Aktienposition Nr. 1 im «UBS Vitainvest World 75 Sustainable U» Fonds. Diese Kreise müssen durchbrochen und mit neuen Massnahmen geflickt werden, damit die Zerstörung des Patanals und weiteren Ökosystemen von globaler Bedeutung nicht weiter unkontrolliert voranschreiten.
Und wir müssen den Fleischkonsum reduzieren! Denn wenn sich der von Fast-Food-Ketten propagierte westliche Ernährungsstil weltweit durchsetzt, werden wir das 1,5-Grad- Klimaziel und den Einhalt des Biodiversitätsverlusts niemals erreichen.