Greenpeace begrüsst das rasche Handeln des ENSI, ist aber von den präsentierten Resultaten der Sicherheitsüberprüfung und den daraus gezogenen Folgerungen nicht überzeugt. Greenpeace fordert Einsicht in alle Unterlagen und die Überprüfung durch unabhängige Gutachter. Die unsicheren Altreaktoren in Mühleberg und Beznau sind ausser Betrieb zu nehmen.
Das Eidgenössische Sicherheitsinspektorat (ENSI) erlaubt den Weiterbetrieb aller Schweizer Atomkraftwerke und es räumt „angemessene Fristen“ zur Verbesserung ihrer Sicherheit ein. Doch Verbesserung reicht nicht, wie es Atomexperte Leo Scherer auf den Punkt bringt: «Egal wie viele Nachrüstungen ein alter Reaktor erfährt, er kann nicht auf den neusten und angemessenen Sicherheitsstandard gebracht werden. Eine Katastrophe wie in Japan ist daher auch in der Schweiz nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen. Dieses Risiko dürfen wir nicht mehr dulden.»
Die vom ENSI anberaumte Einrichtung externer Stützpunkte für eine Notintervention bei schweren AKW-Unfällen weist auf ein Dilemma hin: Einerseits wird nach Fukushima ein vergleichbares Unfallszenario offenbar nicht mehr ausgeschlossen. Andererseits zeigt die verlangte Massnahme, dass es unmöglich ist, die bestehenden Reaktoren – vorab jene alter Bauart – auf ein Sicherheitsniveau zu hieven, das dem heutigen Stand der Technik und der Erfahrung entspricht. Die Auslegung der Altreaktoren in Beznau und vor allem in Mühleberg entspricht schlicht nicht den Sicherheitsanforderungen neuer Atomkraftwerke. Für Greenpeace ist es deshalb inakzeptabel, wenn das ENSI sich bei der Beurteilung dieser Werke an gesetzliche Vorgaben klammert, welche die bestehenden neuen Erkenntnisse nach der Fukushima-Katastrophe noch nicht berücksichtigen undÜfür den Weiterbetrieb grünes Licht gibt.
Als Sofortmassnahme fordert Greenpeace von den Entscheidungsträgern, von Bundesrat, Parlament und Atomaufsichtsbehörde die vorläufige Ausserbetriebnahme der drei ältesten AKW in Mühleberg und Beznau sowie die Überprüfung und Verschärfung der Kriterien der Ausserbetriebnahme-Verordnung. Das ENSI darf nicht weiterhin übermässig lange Nachrüstungsfristen gewähren und damit den Weiterbetrieb trotz erhöhtem Risiko gestatten, wenn gravierende Sicherheitsmängel festgestellt worden sind. Wenn wie beim AKW Mühleberg der Kernmantel Risse hat oder wie beim AKW Beznau die Notstromeinrichtungen ungenügend sind, gebietet es die Vorsicht, solche Reaktoren herunterzufahren und die Mängel zu beheben, bevor ein Weiterbetrieb in Betracht gezogen wird.
Die Untersuchungen, welche im Rahmen des Langzeitbetriebs für Beznau vom ENSI angeordnet wurden (Materialversprödung, Ermüdungsbruch, Korrosionsschäden), sind zu beschleunigen und – nach Berücksichtigung der neuen Sachlage – zu verschärfen. Andere Risiken wie Gasentwicklung, terroristische Einwirkungen, Flugzeugabsturz oder Angriffe auf rechnerbasierte Steuerungen sollen ebenfalls für die Gesamtbetrachtung nach neustem Erkenntnisstand aufdatiert werden.
Greenpeace fordert bei der Sicherheitsüberprüfung der Schweizer AKW vollständige Transparenz und den Beizug einer unabhängigen Zweitmeinung. Wie wichtig dies ist, hat das ENSI selbst unter Beweis gestellt: Während die Aufsichtsbehörde selber den Zustand des Kernmantels im AKW Mühleberg jahrelang als unbedenklich einstufte, kam ein vom ENSI in Auftrag gegebenes Zweitgutachten des TÜV Nord zu einem andern Ergebnis und forderte Massnahmen (die Medien berichteten aufgrund einer Recherche der Wochenzeitung WoZ Ende April).
Kontakt:
Leo Scherer, Atomexperte, Tel. 078 720 48 36
Medienstelle Greenpeace Schweiz, Tel. 044 447 41 11
Bilder mit Projektionen auf Schweizer AKW-Gebäude und -Kühltürme zum Download