Zürich/Bern – Marco Bähler ist Strahlenschutz-Spezialist und sammelt seit Jahren Messdaten zu den radioaktiven Abgaben durch das Atomkraftwerk Mühleberg. Seine Messungen weisen zum Teil so massiv erhöhte Werte aus, dass sie aus seiner Sicht nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden können. Einsicht in die Messdaten der AKW-Betreiber und des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI wurde Bähler verweigert. Damit die Strahlenbelastung der Anwohner durch das AKW Mühleberg beurteilt werden kann, klagt er die Dateneinsicht nun beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Strahlenschutz-Spezialist Marco Bähler verfolgt die Umweltemissionen durch Atomkraftwerke seit Jahren. Er hat sich für diese Aufgabe speziell weitergebildet und die dazu notwendigen, modernen Instrumente angeschafft. Radioaktive Emissionen in Luft und Wasser fallen in konzentrierter Form anlässlich der Revisionsarbeiten in einem Atomkraftwerk an. So auch bei Mühleberg. 

Im Jahr 2012 erreichten Bählers Messwerte ein Ausmass, das ihm alles andere als harmlos schien. Radioaktive Strahlung kann die Gesundheit gefährden und Krebs auslösen. Dies belegen wissenschaftliche Studien zur Situation rund um die deutschen Atomkraftwerke. Weil das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI nur aufsummierte Jahreswerte veröffentlicht, ist die temporäre Abgabe in hohen Konzentrationen nicht abgebildet. Deshalb verlangte Marco Bähler beim ENSI erstmals Ende August 2012 Einsicht in die sogenannten EMI-Daten  am Hochkamin des AKW Mühleberg. Die EMI-Daten erfassen die Radioaktivität im 10-Minutentakt.

Das Recht auf Einsicht in amtliche Dokumente steht nach Gesetz jeder Person zu. Doch das ENSI verweigerte den Zugang zu den Messdaten und berief sich auf ein Betriebsreglement – eine Vereinbarung zwischen Atomkraftwerkbetreibern und der Aufsichtsbehörde. Darin sind haarsträubende Abmachungen festgehalten:

• Die Daten müssen vertraulich behandelt werden

• Die EMI-Daten werden vom ENSI lediglich über einen Zeitraum von 30 Tagen aufbewahrt, danach werden sie gemäss ENSI gelöscht

• Und besonders brisant: «Bei Abweichungen vom Normalwert über einen Zeitraum von Stunden (…) erfolgen durch das ENSI keine Rückfragen an die Betreiber».

Die Einforderung des simplen Rechts auf Zugang zu amtlichen Dokumenten gemäss Öffentlichkeitsgesetz gestaltet sich zu einem Spiessrutenlauf unter enormem Aufwand an Geduld und Geld. Marco Bähler gelangte zuerst an den Datenschutzbeauftragten. Dieser unterstützte Bähler und hielt fest, dass die Emissionsüberwachung zu den gesetzlich verankerten Aufgaben des ENSI und der Behörden zähle. Von Freiwilligkeit könne keine Rede sein und bei den Erhebungen könne es sich folglich nicht um Geschäftsgeheimnisse handeln. Darum seien die Daten zur Einsicht freizugeben. Im Falle der Weigerung forderte er das ENSI auf, eine anfechtbare Verfügung  zu erlassen.

In der darauf erfolgten Verfügung vom 14. März 2014 wies das ENSI das Einsichtsbegehren von Marco Bähler trotz Intervention des Datenschutzbeauftragten erneut ab. Nun bleibt Bähler nur noch der Gang vor Bundesverwaltungsgericht. Mit einer Beschwerde fechten er und seine Anwälte die Verfügung an, um zu ihrem Recht zu kommen.

 

Greenpeace Schweiz und die Berner Gruppe „Fokus Anti-Atom“ unterstützen den Gang vor Bundesverwaltungsgericht 

«Hier geht es einerseits um Messdaten zur Strahlung rund um das AKW, andererseits erneut um das absonderliche Rechtsverständnis des ENSI und die Tragweite des Öffentlichkeitsprinzips», sagt Martin Looser von ettlersuter Rechtsanwälte.

Wenn das ENSI sich hinter dem “Geschäftsgeheimnis” verschanzt, legt das nahe, dass dies auf Geheiss der Atomkraftwerkbetreiber geschieht. Doch auch die Betreiber stehen in der Verantwortung, Transparenz über die radioaktive Belastung der Umwelt herzustellen. Zudem gehören die Atomkraftwerke grösstenteils öffentlichen und halböffentlichen Unternehmen wie der BKW oder der AXPO. 

Florian Kasser, Atomcampaigner von Greenpeace Schweiz: «Kann es denn die Absicht der Kantone sein, der eigenen Bevölkerung Messdaten über radioaktive Emissionen vorzuenthalten? Oder wäre es nicht endlich Zeit, dass die Kantone hier zum Schutze der Gesundheit ihrer Einwohner intervenieren?» 

Die Atomkraftwerkbetreiber haben sich unlängst dagegen gewehrt, ein besseres Messnetz zu finanzieren und gelangten ihrerseits mit einer Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht.

 

Weitere Informationen:

Marco Bähler, Beschwerdeführer, 079 279 66 56

Martin Looser, beschwerdeführender Rechtsanwalt, 043 377 66 88 

Florian Kasser, Atomcampaigner Greenpeace Schweiz, 076 345 26 55

Jürg Joss, Fokus Anti-Atom, 079 330 06 60