Zoë Maire ist Bereichsleiterin von easyvote. Die Bernerin erzählt im Interview, was das Schwierige daran ist, Jugendliche zum Wählen zu animieren, ob sie das politische System der Schweiz gut findet und weshalb sie kein Mitglied einer Partei ist.
Zoë, wie seid ihr auf die Idee für easyvote gekommen?
easyvote ist ursprünglich vom Jungendparlament ins Leben gerufen worden, weil sie fanden: «Wählen ist zu kompliziert, die offiziellen Abstimmungsunterlagen sind zu schwierig, man versteht sie nicht». Deswegen wollten sie dies für die Jugendlichen ändern.
Eure Zielgruppe sind also die jüngeren WählerInnen?
Wir fokussieren uns auf die 18-25-Jährigen. Dies, weil die politische Sozialisation vor allem in dieser Zeit stattfindet. Wir arbeiten mit der gfs.bern für Studien zusammen und da zeigte sich bisher, dass, wenn man nach 25 noch nie in Kontakt mit der Politik oder politischen Inhalten gekommen ist und noch nie abstimmen oder wählen war, man das für den Rest des Lebens vermutlich auch nicht mehr macht.
Wie schafft ihr es, präsent bei den Jugendlichen zu sein?
Wir sind vor allem auf Instagram aktiv. Auch auf Facebook, aber da nur, um die Instagram-Inhalte zu kopieren, da die Plattform bei den Jugendlichen ja nicht mehr so angesagt ist. Neben Social Media fokussieren wir uns auch auf die politische Bildung. Wir haben ein Projekt, das easyvote-school heisst, dort sind Lehrpersonen unser Zielpublikum. Wir geben ihnen Material, mit welchem sie das Thema Politik im Unterricht behandeln können.
Welche Herausforderungen trefft ihr an, wenn es darum geht, Jugendliche zum Wählen zu animieren?
Das Mobilisieren ist unsere grösste Herausforderung. Grundsätzlich sagt kein Jugendlicher «nein, ich sehe keinen Sinn im Abstimmen oder Wählen». Dass die Jugendlichen dann aber wirklich zur Urne gehen oder den Abstimmungsbrief in den Briefkasten werfen, das ist unser Knackpunkt momentan.
Ihr gebt aber keine Wahlempfehlung für oder gegen eine Partei?
Nein, absolut nicht. Die Neutralität ist unsere Stärke. Meistens werden wir sogar neutraler angesehen, als die Abstimmungsunterlagen vom Kanton oder dem Bund. Schlussendlich geht es darum, dass die Menschen informiert sind und mitmachen.
Was wollt ihr in Zukunft machen?
Ich sage immer, easyvote braucht es dann nicht mehr, wenn die politische Bildung sehr gut ist und alle politischen Akteure begriffen haben, dass die Jugendlichen eine wichtige Gruppe sind und man diese nicht vergisst. Bis es so weit ist, geht es, glaube ich, noch recht lange.
Wie bist du selbst zur Politik gekommen?
Politisiert wurde ich schon früh durch den Irak-Krieg, zu der Zeit bin ich noch zur Grundschule gegangen. So bin ich langsam hineingerutscht.
Bist du selbst Mitglied einer Partei?
Nein, bin ich nicht. Das haben wir bei easyvote so beschlossen. Denn es wäre nicht glaubwürdig, wenn wir sagen, wir sind neutral und dann aber selbst in einer Partei sind. Ehrlich gesagt wüsste ich aber auch nicht, ob ich eine Partei finden würde, die genau meinen Ansprüchen entspricht.
Wie stark ist der Klimawandel bei den Jugendlichen der Schweiz ein Thema?
Wir machen jedes Jahr eine Studie bei SchülerInnen in der Schweiz, den sogenannten easyvote-Politikmonitor. Dort fragen wir nach den fünf Top-Themen, die die Jugendlichen beschäftigen. Und eines der Top-Themen ist immer Klima.
Denkst du, das Thema wird einen Einfluss auf die Wahl-Beteiligung und -Ergebnisse im Oktober haben?
Ja, absolut. Ich hoffe natürlich, dass es dadurch einen Wahl-Anstieg geben wird. Denn es ist ein Thema, dass nahe bei den Jugendlichen ist. Man muss ihnen nicht erklären, weshalb sie betroffen sind, wie beispielsweise bei Steuerreformen. Da denken sie, es geht sie nichts an.
Versuchst du auch in deinem persönlichen Umfeld die Personen zum Wählen zu animieren?
Ja, auf jeden Fall. Ich bekomme auch öfters ein Telefon von Personen, die nicht wissen, um was es geht und die fragen, wie sie abstimmen sollen. In meinem persönlichen Umfeld bin ich aber streng (lacht). Es gibt einfach keinen Grund, wieso man nicht wählen gehen sollte. Wenn z. B. meine Eltern finden, sie hätten keine Zeit dafür, macht mich das schon etwas hässig (lacht).
Findest du das politische System der Schweiz gut oder müsste es geändert werden?
Ich bin ein Verfechter der Demokratie (lacht). Ich denke, das ist das beste politische System, das man haben kann. Auch wenn es eine halbdirekte Demokratie ist. Ich denke aber auch, dass die Demokratie kein Puppenspiel sein sollte, bei welchem man nur so tut, als ob. Der Bürger sollte das Wissens- und Machtmonopol haben. Wenn man aber mit extrem verwirrenden Vorlagen versucht, zu tricksen, und den Bürger aussen vor lässt, dann wird es gefährlich. Bis dato ist die Schweiz gut unterwegs, aber es gibt sicherlich Verbesserungsmöglichkeiten.
Ist es schwierig als Frau in der Politikwelt?
Es kommt nach wie vor auf die Partei an. Politik ist ja bekanntlich nicht immer ein angenehmes Business, das schreckt jüngere Frauen ab. Ich bemerke aber definitiv eine Verbesserung und hoffe, dass nach den Wahlen die Resultate auch zeigen, dass Frauen eine bessere Chance haben.
Denkst du, im Oktober wird es einen Linksrutsch geben?
Ja, ich rechne absolut damit, dass es etwas grüner wird.
Zum Abschluss: Was würdest du jemandem sagen, der nicht wählen gehen möchte?
Ich würde fragen, was die Person in ihrem Leben stört. Dann kämen vermutlich zahlreiche Antworten wie «meine Wohnung ist zu teuer» oder «ich finde es scheisse, dass man Avocados kaufen kann». Dann ist die Sache eigentlich schon geritzt, denn wenn man bei persönlichen Problemen anfängt, ist es am einfachsten, eine Person davon zu überzeugen, sich für eine Veränderung einzusetzen.
Hier gibt es das ganze Magazin zum Thema Klima.