Der US-Amerikaner John Hocevar reist als Meeres-Campaigner für Greenpeace um die ganze Welt. Im letzten Frühling war er in der Antarktis, um sich für ein Schutzgebiet im Wedell-Meer einzusetzen und tauchte dort mit dem Schauspieler Javier Bardem zum Grund des Ozeans. Im Gespräch erzählt der Meeresbiologe von der eindrücklichen Reise ins ewige Eis, unsichtbaren Problemen im Meer und Fischern, die von Gegnern zu glühenden Befürwortern von Schutzgebieten werden.

Interview Danielle Müller

John, woher kommt deine Leidenschaft für den Ozean?

Als ich den Ozean mit fünf Jahren zum ersten Mal sah, habe ich mich sogleich verliebt. Meine Eltern brachten mich damals in Connecticut, wo ich aufwuchs, an den Strand. Dort gab es eine kleine Mündung ins Meer mit Einsiedler-Krebsen. Das war zwar nur ein winzig kleines Flüsschen aber genug, um mein Leben zu verändern.

Was hat dich dazu bewogen, bei Greenpeace zu arbeiten?

Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wann ich von Greenpeace zum ersten Mal gehört habe. Ich glaube, es war im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Walfang, als sich Menschen zwischen Harpunen und Wale stellten. Als ich dann 1986 die High School abschloss, habe ich Greenpeace einen Brief geschrieben à la «Hey, ich möchte für euch arbeiten», ohne mich aber für einen spezifischen Job zu bewerben. Es schien einfach zu mir zu passen. Es dauerte aber noch eine Weile, bis es auch für Greenpeace Sinn ergab, mich einzustellen (schmunzelt).

Haben sie auf deinen Brief geantwortet?

(Lacht) Nein.

John Hocevar ist seit 2004 bei Greenpeace an Bord. (© Christian Åslund/Greenpeace)

Was würdest du in deiner langen Zeit bei Greenpeace als deinen grössten Erfolg einstufen?

Es gibt zwei Erfolge, auf die ich sehr stolz bin und bei denen ich direkt involviert war. Einer ist die Zusammenarbeit mit Supermärkten und Einzelhändlern in den USA. Als wir damit begonnen hatten, veröffentlichten wir einen Report, der die Nachhaltigkeit des Meeresfrüchtesektors der Unternehmen beurteilte. Alle 20 der untersuchten Einzelhändler fielen damals durch, was sogar für uns enttäuschend war. Erst kürzlich haben wir nun die zehnte Version desselben Reports veröffentlicht und mittlerweile sind 20 von 22 Supermärkten und Einzelhändler im grünen Bereich. Das macht mich stolz. 

Und dein zweiter Erfolg?

Dass wir die Themen Menschenrechte und Umweltprobleme zusammengebracht haben. Wenn wir die Rechte der Menschen sichern, ist die Umwelt Teil des gleichen Kampfes, beispielsweise beim Überfischen der Weltmeere: Da wir fast alle Fische in den Ozeanen gegessen haben, ist es für die Fischindustrie teurer, zu fischen und gleichzeitig Profit daraus zu schlagen. Deswegen suchen sie nach Möglichkeiten, um die Kosten zu senken. Das bedeutet oftmals, Arbeiter nicht fair oder gar nicht zu bezahlen, ihnen keine Nahrung oder Wasser zu geben und keinen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen. Die Menschenrechte der Arbeiter hingegen zu gewähren, bringt die Fischindustrie dazu, den wahren Preis für das Fischen zu bezahlen. Daraus resultiert, dass sie nicht mehr so viele Schiffe einsetzen können, was bisher zur Überfischung führte und diesen schrecklichen Kreislauf vorantrieb.

Gibt es einen Menschen, der dein Leben massgeblich beeinflusst hat?

Meine erste Chefin bei Greenpeace war eine tolle Mentorin, denn sie hatte den Mut und die Geduld, mich all die verrückten Sachen machen zu lassen, die ich wollte. Einmal sagte ich zu ihr: «Wir sollten die grössten Unterwasserschluchten der Welt schützen» und sie entgegnete darauf nur: «Ok.» Als ich erwiderte: «Dazu benötigen wir unser Schiff, denn das zuständige politische Gremium unternimmt bis anhin nichts – das heisst, wir brauchen neue wissenschaftliche Daten, um ihnen zu zeigen, wieso wir dieses Gebiet schützen müssen. Und wir werden auch ein U-Boot benötigen» meinte sie abermals einfach «Ok.» Also sagte ich: «Wenn wir ein U-Boot benutzen, würde es Sinn machen, jemanden von Greenpeace als Fahrer auszubilden. Und wenn wir das alles so machen, dann könnte genauso gut ich der Fahrer sein, denn ich bin ja ein Meeresbiologe» (lacht). Daraufhin hat sie mich dann U-Boot-Fahrer werden lassen.

Wenn du jetzt also ein Greenpeace-Schiff benötigst, dann bekommst du das bereitgestellt?

Das wünschte ich (lacht). Es ist jedoch komplizierter: Wir haben zwar drei Schiffe, sind aber gleichzeitig eine globale Organisation mit vielen verschiedenen Büros und alle möchten die Schiffe für ihre Kampagnen nutzen möchte. Das heisst, wir müssen zusammen einen Belegungsplan ausarbeiten, der Sinn macht und den globalen Prioritäten entspricht. Natürlich lassen wir die Schiffe auch nicht von der Arktis direkt in die Antarktis laufen – der Belegungsplan muss effizient sein.

Im Januar 2018 warst du für drei Monate mit dem Greenpeace-Schiff Antarctic Sunrise in der Antarktis unterwegs, um Daten für das Schutzgebiet im Weddell-Meer zu sammeln. Was hast du von dieser Tour erwartet?

Ich habe erwartet, dass sie etwas nützt (lacht).

Und hat sie das?

Das hat sie. Wir konnten den Menschen auf der ganzen Welt zeigen, wieso dieses Gebiet es verdient, geschützt zu werden. Es ist aber noch zu früh, etwas Definitives zu sagen, denn die Antarktis-Schutzkommission CCAMLR – das politische Gremium, welches über das Schutzgebiet bestimmt – besteht unter anderem aus Ländern, die sich vor allem wegen des Fischfangs für die Antarktis interessieren (Anm. d. Red.: Die CCAMLR hat die Errichtung des Schutzgebiets im November 2018, nachdem dieses Interview geführt wurde, leider vorerst abgelehnt. Im Oktober 2019 wird das Thema erneut von der Kommission beraten).

Ein Hauptanliegen der Tour war es deshalb, die Krill-Fischerei zu stoppen. Warum?

Die Fischindustrie in Ländern wie beispielsweise China und Russland, die Tausende von Kilometern von der Antarktis entfernt liegen, hat es auf den Krill abgesehen, um ihn als Futter für Fischfarmen oder Nahrungsergänzungsmittel einzusetzen. Es gibt einen grossen Markt dafür, zum Beispiel für die Omega-3-Fettsäure-Kapseln. Das Problem: Krill ist das Hauptnahrungsmittel von Pinguinen, vielen Walarten und Seevögeln. Ohne Krill würde das ganze Ökosystem der Antarktis nicht mehr so funktionieren wie jetzt.

Die Grossfischerei in der Antarktis zielt vor allem auf Krill ab. (© Christian Åslund/Greenpeace)

Hast du schon mal Krill probiert?

(Lacht) Nein, ich bin seit langem Vegetarier.

Aber kein Veganer …

Nein, kein Veganer. Ich habe eigentlich immer gedacht, dass ich irgendwann vegan leben werde, tu ich aber nicht – ich esse immer noch viel Käse (schmunzelt). 

Habt ihr auf der Tour etwas Unerwartetes entdeckt? Hat dich etwas überrascht?

Alles hat mich überrascht, denn fast alles, was in den antarktischen Gewässern lebt, findet man nirgendwo sonst auf der Welt. Auch ist fast alles dort endemisch. Mindestens drei Lebewesen, die wir auf Kamera festgehalten hatten, sind Wissenschaftlern unbekannt. In der Wissenschaft ist es aber leider so, dass man, um zu beweisen, dass etwas bisher unentdeckt ist, das Lebewesen einsammeln und in ein Glas legen muss, es also tötet. Das haben wir nicht getan, weshalb wir also offiziell nicht sagen können, dass wir neue Arten entdeckt haben – haben wir aber (lacht). Die grösste Überraschung für mich aber war, wie viel Leben es am Grund des antarktischen Ozeans gibt. Der Boden ist vollkommen bedeckt von Korallen, Schwämmen, Krebsen, Anemonen, Sternfischen und, und, und. Einfach unglaublich.

War es nicht auch etwas furchteinflössend, so tief zu tauchen?

Es ist schon sehr dunkel da unten. Wenn man 150 bis 200 Meter tief ist, gibt es keine einzige Lichtquelle von der Oberfläche mehr, das einzige Licht kommt von den U-Boot-Scheinwerfern oder von der Biolumineszenz einzelner Tiere. Von wunderschönen Quallen beispielsweise, die ihr eigenes Licht kreieren.

Hast du dich nicht wie ein Eindringling gefühlt?

Das meiste da unten hat uns gar nicht wahrgenommen. Es gibt nicht viele Fische und nichts da unten hat jemals so etwas wie uns gesehen (lacht). Fast überall, wo wir hingingen, waren wir die Ersten, die dort jemals geforscht haben, weshalb ich mich nicht wie ein Eindringling fühlte, sondern eher wie ein Glückspilz.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Javier Bardem?

Wir haben bereits mit Javiers Bruder Carlos gearbeitet und er hat Javier eingeladen. Javier liebt Pinguine, weshalb er sich sehr über die Möglichkeit gefreut hat, mit uns an Bord zu gehen. Während der ganzen ersten Woche rang er mit dem Entscheid, ob er ins U-Boot zum Meeresgrund steigen sollte. Er war nervös und sich auch nicht sicher, ob es eine gute Idee sei, einen Schauspieler anstelle eines Wissenschaftlers ins U-Boot zu setzen. Er ist sehr bescheiden, aber nachdem er uns mehrere Male tauchen gesehen hatte, meinte er schliesslich: «Okay, ich glaube, ich bin bereit.»

Was hat er gesagt, als ihr beide da unten wart?

Während des Abstieges wurde er immer stiller und er schien so glücklich zu sein. Er sagte immer wieder, wie unglaublich und einzigartig das alles sei – und er meinte ständig: «Wir müssen etwas tun!» Dann wurde es etwas albern, er sagte mir nämlich, dass er mich umbringen wird, und zwar in den Stimmen der von ihm verkörperten Filmbösewichte. Als der Typ von «No Country for Old Men» beispielsweise oder als einer der Charakter aus «Fluch der Karibik». Da waren wir also, am Grund der antarktischen Gewässer und Javier Bardem sagt mir, dass er mich umbringen wird. Das war fantastisch (lacht laut).

Was hast du dir aus der Zusammenarbeit mit ihm erhofft?

Javier Bardem ist ein extrem starker Geschichtenerzähler mit unzähligen Fans. Wenn er sich für etwas interessiert, kann er dieses Interesse mit Menschen teilen, die wir möglicherweise nicht erreichen würden. Auf diese Art hat er uns geholfen, viele Millionen Menschen mit dem Thema zu erreichen und zwei Millionen sogar dazu zu inspirieren, sich mit ihrer Stimme aktiv für die Antarktis einzusetzen.  

Denkst du nicht, dass viele Prominente den Umweltschutz als Plattform für Eigenwerbung nutzen? David Harbour aus der Serie «Stranger Things» beispielsweise, der mit Pinguinen in der Antarktis tanzen wollte.

Wenn man an eine bekannte Person aus einem Film oder einer Fernsehserie denkt, ist es einfach zu vergessen, dass sie auch normale Menschen sind und ein Leben ausserhalb dessen haben, was wir im Kino oder im TV sehen. Wenn man also jemanden wie David Harbour albern mit Pinguinen tanzen sieht, schätzen es die Menschen, ihn als normalen Menschen wahrzunehmen. Und jemand wie Javier Bardem braucht uns nicht wirklich (lacht). Er hat genügend Geld, um selbst ein Boot zu kaufen und damit in die Antarktis zu reisen. Javier schenkt uns seine Zeit und seinen Einfluss – weil auch er sich um unseren Planeten sorgt.

Schlussendlich landet alles irgendwie in den sozialen Medien. Wie wichtig sind diese, wenn es darum geht, die Antarktis zu retten?

Die sozialen Medien sind heutzutage einer der Hauptwege, wie Menschen etwas über unsere Welt lernen, wie sie Informationen unter sich verbreiten und wie sie sich verbunden fühlen. Manchmal kann es zwar oberflächlich sein, nichtsdestotrotz hat Social Media uns geholfen, Millionen von Menschen mit einem Thema zu erreichen, über welches sie meiner Meinung nach etwas erfahren wollten.

Konntest du während der Reise Auswirkungen des Klimawandels auf die Antarktis beobachten?

Es ist schwierig, Auswirkungen des Klimawandels aufzuzeigen, da man keine Basis hat, mit der man vergleichen kann. Wir haben aber beobachtet, wie riesige Eisberge zusammenbrachen. Und das zu sehen, ist unglaublich – man schaut eigentlich der Welt beim Sterben zu. 

Und was ist mit der Versauerung der Meere?

Die Versauerung der Ozeane ist eines der grössten Probleme unserer Erde, über welches sich die Menschen nicht wirklich unterhalten. Wenn wir Kohle, natürliches Gas und Öl verbrennen, setzt das Kohlenstoffdioxid frei, welches ins grossen Teilen in der Atmosphäre landet und den Klimawandel verursacht. Ein Teil des COaber wird direkt vom Meerwasser absorbiert, was das Meer saurer werden lässt. Es ist eine einfache chemische Reaktion, welche sogar Klimawandel-Gegner nicht verleugnen können. Wenn der Ozean saurer wird, ist es für Tiere schwieriger, Kalzium-Skelette zu bilden. Das wiederum beeinflusst Korallenriffe, Austern, Sandmuscheln und Jakobsmuscheln, welche kalkhaltige Skelette haben. Eines der grössten Probleme aber ist, dass viele Plankton-Arten, welche die Basis für die Nahrungskette des Meeres bilden, ebenfalls kalkhaltige Skelette besitzen, und bereits von der Versauerung betroffen sind. Wir können uns also jetzt schon ziemlich sicher sein, das einige Plankton-Arten nicht überleben werden in der Welt, welche wir momentan kreieren.

Wieso spricht man so wenig über dieses Thema?

Vieles, was im Ozean passiert, ist ausser Sicht. Wir generieren beispielsweise seit den 50er-Jahren diese massive Plastik-Krise und erst in den letzten paar Jahren hat sich der Plastik in solchen Mengen angesammelt, dass er beginnt, sich über uns zu ergiessen. Er ist im Essen, das wir zu uns nehmen, im Wasser, das wir trinken, in der Luft, die wir atmen. Teil des Problems ist es also, dass die Menschen nicht sehen können, was unter der Oberfläche des Ozeans passiert, bis es manchmal zu spät ist. 

Was würdest du Personen, wie beispielsweise US-Präsident Donald Trump, sagen, die nicht an den Klimawandel glauben?

Ich glaube, wir haben den Punkt hinter uns gelassen, an dem es für Menschen in Ordnung ist, zu sagen, dass sie nicht an den Klimawandel glauben. Vielmehr ist es so, dass sie die Thematik einfach nicht verstehen. Ich denke, viele Machthaber in den USA, die den Klimawandel nicht für wahr halten, glauben einfach an Geld und Macht für sich selber. Sie wissen seit Langem, dass der Klimawandel existiert; sie tun einfach so, als ob es nicht so wäre, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Ärgert es dich nicht ungemein, wenn du mit solchen Menschen zu tun hast?

(Lacht) Es ist für mich immer schwierig, wenn Regierungen und Unternehmen nicht die Wahrheit sagen. Wenn wir eine unterschiedliche Ansicht von etwas haben und wir ehrlich damit umgehen, können wir darüber eine Unterhaltung führen, aber wenn jemand etwas sagt, was er eigentlich gar nicht so meint, reden wir nicht über das wahre Problem. Wir haben das schon mit Russland und China erlebt, als es um das Rossmeer-Schutzgebiet ging. Die Argumente, die sie damals gegen das Schutzgebiet anführten, entsprachen nicht den wahren Gründen, wieso sie dagegen waren. So hatten wir keine Chance, mit logischen Argumenten etwas gegen ihren Widerstand zu tun, da ihre «Realität» eine andere war. Also ja, es kann ärgerlich sein, aber dennoch gehört es zu unserem Job, die wahre Motivation hinter den Argumenten zu erkennen.

Wie entsteht denn ein solches Schutzgebiet genau?

Jedes Jahr treffen sich die Wissenschaftler der CCAMLR, um Fischfang-Obergrenzen festzulegen und zu kontrollieren, ob sich alle daran halten. Einmal hat die Kommission auch neue Schutzgebiete festgelegt. Wenn wir also die Präsenz von Korallen, Schwämmen und anderen Meereslebewesen, die Lebensraum und Strukturen für andere Tierarten kreieren, dokumentieren könnten, dann wäre es den Wissenschaftlern der CCAMLR möglich, ein Gebiet ohne komplizierte politische Prozesse zu schützen.

Das Schutzgebiet im Weddellmeer wäre das grösste Schutzgebiet der Welt. (© Christian Åslund/Greenpeace)

Kommt es manchmal zu Konflikten an der Konferenz?

Entscheidungen werden nur im Konsens getroffen, d. h. jedes einzelne Land muss zustimmen. Auch wenn wir wissen, dass jeder heute das Schutzgebiet im Weddellmeer unterstützen würde, braucht es nur ein Land, welches Nein sagt, oder «Njet», wie es öfters an der CCAMLR-Konferenz der Fall ist … Die Länder, die nach Krill fischen, haben vor allem Angst vor dem Präzedenz-Fall – sie denken sich: «Wenn sie dieses Gebiet schützen lassen, wenden sie sich vielleicht als Nächstes unserem profitabelsten Fischgebiet zu.» Schutzgebiete sind aber ein mächtiges Werkzeug, um erschöpfte Populationen wie Fische und Krill wieder aufzubauen.

Warum?

Wenn man nur ein Gebiet schützt, kann sich eine Population soweit erholen, dass es zu einem sogenannten Spillover-Effekt, einem Übertragungs-Effekt, kommt und es mehr Krill und Fische in den um das Schutzgebiet liegenden Flächen gibt. Was wir also auf der ganzen Welt beobachten sind Fischer, die sich zuerst gegen ein Schutzgebiet stellen, weil sie Angst haben, dass wir ihnen etwas wegnehmen. Nachdem die Schutzgebiete dann in Kraft gesetzt wurden und die Fischer beobachten können, wie effektiv diese im Wiederaufbau der Populationen sind, werden sie zu deren grössten Unterstützern.

Würde nach der Etablierung eines Schutzgebietes nicht einfach illegal weitergefischt?

Das Gute am Fischfang in der Antarktis ist, dass sie sich weit weg von den Häfen der Fischereiländer befindet. Es ist zum Beispiel für chinesische Schiffe schwierig, in die Antarktis zu reisen, dort illegal zu fischen und dann wieder zurückzukehren, ohne dass wir davon etwas mitbekommen.

Wie sieht es mit Antarktis-Tourismus aus, stellt dieser auch ein Problem dar?

Das ist eine gute Frage. Ich denke, zu gewissen Stücken kann Tourismus hilfreich sein, indem er den Menschen zeigt, was für ein spezieller Ort die Antarktis ist. Wie bei allem aber, kommt es darauf an, wie man es handhabt. Es gibt nachhaltigeren Tourismus, es gibt aber auch denjenigen, der überhaupt nicht hilfreich ist. Der Tourismus in der Antarktis neigt dazu, sich vor allem auf wenige Plätze zu konzentrieren. Das ruft Bedenken hervor, da so viele Menschen aufs Mal an einem Ort sind und beispielsweise das Verhalten von Pinguinen beeinflussen könnten. Auch der ökologische Fussabdruck einer Antarktisreise ist nicht unbedeutend. 

Eine andere Möglichkeit, Meerestiere zu beobachten, ist in Aquarien. Was hältst du von Institutionen wie beispielsweise Sea World in Florida?

Ich würde definitiv sagen, dass ich nie Orcas in einem Metallbecken sehen möchte. Niemals. Das ist nicht in Ordnung.

Gehst du also auch nicht in den Zoo? 

Es ist zwar unglaublich, wenn man die Chance hat, Tiere zu beobachten, aber jedes Mal auch ein wenig traurig, denn bei so manchem Tier denkt man sich: «Du solltest nicht hier sein.» Die meisten Zoos haben sich aber verbessert, man sieht nicht mehr so oft Tiere, die in kleinen Gehegen gehalten werden. Ich denke, wenn wir uns auf diesem Weg weiter bewegen, werden sie stetig mehr wie die wirklichen Lebensräume der Tiere aussehen und vor allem mehr Platz zur Verfügung stellen. 

Hast du ein Lieblingsmeerestier?

Das werde ich oft gefragt (lacht). Das ist, wie wenn dich jemand fragt, was dein Lieblingslied ist: Es hängt von der Stimmung ab und ändert sich jedes Jahr. Ich mag Oktopusse. Sie dabei zu beobachten, wie sie ihre Farbe passend zur Umgebung ändern, ist unglaublich. Oktopusse können auch ihren ganzen Körper durch einen ringgrossen Gegenstand bewegen und scheinen sehr zielstrebig zu sein – sie besitzen fast eine Art ausserirdische Intelligenz.

Wenn du dir die Welt in 50 Jahren vorstellst, wird es dann nach wie vor Leben im Meer geben?

«Was wir kontrollieren können, ist, wie schlimm die Dinge werden und wie lange es braucht, bevor wir etwas ändern.» (© Christian Åslund/Greenpeace)

Es wird in 50 Jahre sicher Leben im Meer geben, wir werden die Ozeane nicht töten. Aber sie werden anders aussehen als heute. Es wird viel weniger Korallenriffe geben, viel weniger Eis in der Arktis und der Antarktis, der Meeresspiegel wird höher sein, sodass heutige Strände unter Wasser stehen werden. Tiere, die sich hunderte Millionen von Jahren auf dieselbe Art und Weise entwickelt haben, werden ihr Verhalten ändern aufgrund der Erwärmung, welche wir heute kreieren. Was wir kontrollieren können, ist, wie schlimm die Dinge werden und wie lange es braucht, bevor wir etwas ändern.

Bist du nie frustriert und überlegst dir, deinen Beruf zu wechseln?

Ich habe das Glück, dass ich Teil von vielen erfolgreichen Kampagnen war und Zeuge davon sein konnte, was man zusammen alles erreichen kann. Zu Beginn denken sich die Menschen immer, dass unsere Ansätze unmöglich klingen und wir verrückt seien. Fünf oder zehn Jahre später sieht man dann, dass genau diese Ansätze notwendig waren. Und das ist genau das, was Greenpeace machen kann: Sagen, was geschehen muss und es dann auch möglich machen.

Wird sich der Job als Meeres-Campaigner in den kommenden Jahren drastisch verändern?

Nein, ich denke nicht. Einzig, dass es einfacher sein wird, Menschen davon zu überzeugen, dass wir etwas ändern müssen, weil die Einflüsse unseres Verhaltens immer stärker sichtbar werden. Die Verschmutzung durch Plastik ist da ein gutes Beispiel. Vor wenigen Jahren waren die Diskussionen zum Thema Plastik noch viel schwieriger zu führen als heute – weil die Situation im letzten Jahr so offensichtlich schlechter wurde und sich immer mehr Menschen Sorgen machen. 

Was sind aus deiner Sicht kleine Dinge, die jeder gegen den Klimawandel tun kann?

Ich denke, wir alle sollten die Dinge tun, die wir als Individuen tun können: weniger Fleisch essen, mehr Fahrrad fahren, mehr zu Fuss gehen, den öffentlichen Verkehr nutzen, bessere Glühbirnen verwenden, die Klimaanlage nicht so oft einschalten, solche Sachen. Aber einen gewaltigen Unterschied erreichen können wir nur, wenn wir zusammenarbeiten. Wir müssen unsere Regierungen und Unternehmen davon überzeugen, dass wir eine bessere Welt wollen, darin liegt die wahre Stärke.

Denkst du manchmal, dass dein Einsatz und der vieler anderer am Ende trotzdem nichts nützen wird?

Wir können uns den Luxus nicht leisten, nicht an die Zukunft zu glauben. Auch wenn es schon zu spät ist, um die meisten Korallenriffe und vielleicht auch die Eisbären zu retten, müssen wir jetzt handeln, denn es ist definitiv nicht zu spät, um die Antarktis zu retten. Sie verändert sich zwar aufgrund des Klimawandels sehr schnell – aber es ist nicht zu spät. Unser Planet könnte sich erholen, wenn wir aufhören würden, ihn zu foltern.

Abschliessend noch eine letzte Frage: Braucht der antarktische Ozean uns Menschen?

Das Einzige, was der antarktische Ozean von uns braucht, ist, dass wir aufhören zu tun, was wir tun (lacht). Nein, er braucht uns nicht. Der ganze Planet braucht uns nicht. Wir haben ihm mehr Schaden als Gutes angetan – für eine lange Zeit.

Danielle Müller studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin und schnuppert nun bei Greenpeace rein. Die 27-Jährige Baslerin ist stets im Sattel ihres Rennvelos anzutreffen und sagt nie Nein zu einer guten Umwelt-Doku auf Netflix.

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