Der Fotograf Pablo E. Piovano hat mit seinem Projekt über den Kampf der Mapuche in Patagonien im Oktober den Publikumspreis des Greenpeace Photo Award 2018 gewonnen. Am 14. November wird ein Häuptlingssohn des indigenen Volkes erschossen und Piovano reist in die Konfliktzone, um die Bestattung des jungen Mannes zu dokumentieren. Seine Fotos hat er uns für diese Geschichte als Erstveröffentlichung zur Verfügung gestellt.
Der argentinische Fotograf Pablo E. Piovano hat den Publikumspreis des Greenpeace Photo Awards 2018 erhalten. Für sein Siegerprojekt will er nach Patagonien reisen, um dort Mapuche-AktivistInnen zu porträtieren, die sich gegen ihre Vertreibung aus dem Gebiet und die Zerstörung ihrer Umwelt einsetzen. Seit Jahrzehnten kommt es in der Region immer wieder zu Spannungen zwischen den Mapuche und der militarisierten Polizei Chiles. Unzählige Anhänger des indigenen Volkes fallen dabei den Auseinandersetzungen zum Opfer.
Zuletzt der 24-jährige Camilo Catrillanca, der Mitte November auf einem Traktor durch einen Schuss in den Rücken von der staatlichen Polizei getötet wird. Auf dem Traktor neben Catrillanca sitzt ein 15 Jahre alter Mapuche-Bub, der verhaftet, geschlagen und gefoltert wird. Seine Zeugenaussage, die wenige Stunden nach der Ermordung von einer Menschenrechtsorganisation protokolliert wird, entlarvt die offizielle Version der Polizei, die von einer Konfrontation spricht und Catrillanca die Schuld für die Eskalation gibt, als falsch. Polizeichef Hermes Soto muss zugeben, dass Videomaterial zerstört wurde, mit dem die Polizei die Operation gefilmt hatte. Ein paar Tage später werden die vier Polizeioffiziere, die bei der Erschiessung anwesend waren, verhaftet und es wird eine Untersuchung des Falls eingeleitet.
Ein Volk unter Terrorismusverdacht
Eine Woche nach dem Tod Catrillancas kommen über 3000 Mapuche zusammen, um sich vom Häuptlingssohn zu verabschieden. Das traditionelle Begräbnis findet in der Stadt Temucucui in Ercilla statt, bekannt als «die gefährlichste rote Zone in Chile». In diesem Gebiet kämpfen mehr als 50 indigene Gemeinschaften für die Rückeroberung ihres Landes. Das Land, das einst von ihren Vorfahren bewohnt wurde, ist heute in den Händen der industriellen Forstwirtschaft, die grosse Umweltschäden verursacht.
Eine Spezialeinheit der Polizei, die sogenannte «Comando Jungla», die in Kolumbien trainiert wurde, unternimmt regelmässig Übergriffe und Repressionen gegen die indigenen Gemeinschaften. Die Opfer sind in den meisten Fällen Mapuche-Jugendliche. Es gibt unzählige Mapuche, die unter Terrorismusverdacht als politische Gefangene inhaftiert sind. Als Catrillanca von der Polizei erschossen wird, löst dies eine politische Krise aus, die sich bis in das Kabinett des chilenischen Präsidenten Piñera erstreckt. Drei Wochen lang ist die Erschiessung Thema auf den Titelseiten der Zeitungen und die Demonstrationen und Strassensperren breiten sich auf verschiedene Gebiete von Chile aus.
Schwierige Lage für Journalisten
Die Lage vor Ort gestaltet sich schwierig für Journalistinnen: «Portraits von den Mapuche zu machen ist ein langsamer Prozess, man muss erst das Vertrauen der Menschen gewinnen», schreibt der Fotograf Piovano in einer Mail aus Chile. Denn in Patagonien herrsche laut Piovano ein grosses Misstrauen seitens Mapuche gegenüber Journalisten. «Viele Journalisten sind auf der Seite des Staates und bezeichnen die Mapuche als Terroristen.» Und auch die Nachrichtendienste des Landes würden laufend infiltriert werden.
Jahrzehntealter Konflikt
Die Geschichte des Konflikts reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Die Mapuche bewohnten bereits vor der Ankunft der Europäer das Gebiet Patagonien, welches sich über Chile und Argentinien erstreckt. Und obwohl sie nach dem Eindringen der Spanier mit diesen einen Vertrag aushandelten, der ihnen erlaubte, auf ihrem Land leben zu können, weigerte sich der Staat Chile nach seiner Unabhängigkeit, diese Abmachung anzuerkennen. Schlimmer noch: Im 19. Jahrhundert wurde ihnen vom Staat ihr Territorium sogar weggenommen und an deutsche Einwanderer verteilt.
Auch heutzutage wird das Gebiet der Mapuche immer wieder von Auswärtigen bedroht. Unter anderem von Millionären aus dem In- und Ausland, welche in Patagonien in Landwirtschaft, Tourismus und die Extraktion von fossilen Brennstoffen investieren und so die Kultur und den Lebensraum der ethnischen Gruppe zerstören. Seit Jahrzehnten fordern die Mapuche die Rückgabe ihrer Ländereien – und seit Jahrzehnten bleiben sie ohne Erfolg. Und das, obwohl über 1,3 Millionen Einwohner von Chile zum indigenen Volk gehören. Erst seit September dieses Jahres gibt es zumindest einen kleinen Lichtblick: Der chilenische Staatschef Sebastián Piñera kündigt einen Entwicklungsplan an, in welchem die indigenen Völker verfassungsmässig anerkannt werden sollen.
Der Preisträger Pablo E. Piovano wird 2019 sein Fotoprojekt «Patagonia. Territory in Conflict umsetzen». Das Fotoprojekt wird in GEO und im Greenpeace-Magazin erscheinen. Die Fotografien werden im Herbst 2019 in der «Gesellschaft für Humanistische Fotografie» in Berlin ausgestellt.
Pablo E. Piovano (1981) ist in Argentinien aufgewachsen. Er arbeitet in Buenos Aires als unabhängiger Fotograf und interessiert sich vor allem für soziale und ökologische Themen. 2017 publizierte er das Buch «The Human Cost of Agrotoxins» mit Fotografien vom menschlichen Leid, das in Argentinien durch Agrochemikalien verursacht wird.