In politischen Debatten werden Wörter wie «Klimaschutz» oder «Klimaschutzziele» gedankenlos verwendet. Die Begriffe blenden den Menschen als Schadenverursacher aus.
America First. Mit Slogans wie diesem hat Donald Trump seinen Wahlkampf 2016 bestritten. Die Amerikaner wählten ihn ins Weisse Haus. Nicht weil sie wütend waren. Auch nicht weil sie dumm sind. Sondern weil Trump in deutlichen Farben das Bild eines ideologisch «strengen» Amerikas malte, in dem Werte wie Eigeninteresse, offener Wirtschaftswettkampf und eine klare Aufteilung der Welt in Gut und Böse wieder etwas gelten. ❧ Die Ideologie, für die Trump steht, ist keine Erfindung der Amerikaner. Oder der Politik an und für sich. Sie ist auch keine Neuerfindung. Es gibt das «strenge» Weltbild seit Menschengedenken. Ebenso seinen ideologischen Widersacher, den die Forschung als «fürsorgliches» Weltbild kennt. Es betont Werte wie Empathie, Kooperation, soziale Fürsorge und Schutz. In der Politik führen «strenge» Werte zu konservativen Positionen – wie dem Abbau von Steuern,02 die als ungerechte Bestrafung von Selbstdisziplin gesehen werden. «Fürsorgliche» Werte bedingen progressive Positionen – wie soziale Fürsorgesysteme oder den Schutz von Mensch und Natur. ❧ Mit Trumps Sieg war zu rechnen – nicht nur, weil er selbst eine Sprache spricht, die seine strengen Werte, die viele Amerikaner teilen, unmissverständlich macht. Sondern auch, weil Hillary Clinton keinen authentischen Einblick in die fürsorglichen Werte gab, die sie politisch bewegen. Stattdessen argumentierte sie mit Fakten und erklärte Programmdetails. Dieser Fehler – das Vernachlässigen der moralischen Prämisse eigener politischer Anliegen – wurde im Wahlkampf überaus deutlich und hatte gravierende Folgen. Dieser Fehler prägt auch weite Bereiche der Debatte rund um den Naturschutz. Mit allen Konsequenzen für unser Leben als Teil dieser Umwelt.
«Schutz» statt «Regulierung»
Das beginnt bereits beim Wort «Umweltregulierung». Es aktiviert einen gedanklichen Deutungsrahmen – in der Forschung Frame genannt –, der das regelnde Eingreifen in den Vordergrund stellt, nämlich den Eingriff in den freien Markt, der auch die Nutzung der Umwelt umfasst. Regulierung widerspricht dem moralischen Anliegen strenger, konservativer Bürger, nach deren Weltbild sich die Kraft des Marktes, eine Gesellschaft durch Wettbewerb zu optimieren, dann am besten entfaltet, wenn man nicht eingreift. ❧ Das im durch den Begriff «Umweltregulierung» hervorgerufenen Frame nicht zum Tragen kommt, ist das moralische Anliegen ideologisch fürsorglicher Bürger: der Schutz von Mensch und Natur im wirtschaftlichen Wettbewerb. Wer für dieses Anliegen sprachlich und gedanklich werben will, ist gut beraten, nicht den Begriff der Regulierung aufzugreifen, sondern weiterhin von Schutz zu sprechen.
Irreführende Sprachbilder
Selbst eine gestandene Bezeichnung wie «Klimaschutz» ist ein ideologisch-sprachlicher Fehlgriff für all jene, denen der Schutz von Natur und Menschen am Herzen liegt.
Ein schwerwiegendes Problem der Naturschutzdebatte ist bisher kaum bemerkt worden: Sie ist von Sprachbildern geprägt, die den Menschen ihre unmittelbare Verbundenheit mit der Natur gedanklich vorenthalten. So spricht man etwa über das gesamte politische Spektrum hinweg vom Schutz «natürlicher Ressourcen». Versuchen Sie einmal, das Konzept aufzumalen. Und zwar so, dass ein Gegenüber es klar identifizieren könnte. Geht nicht? Richtig, geht nicht. Die Idee ist höchst abstrakt, liegt ausserhalb unserer direkten Welterfahrung und ist deshalb nicht visualisierbar. Ganz anders die Konzepte «Wasser», «Luft» und «Erde». Selbst ein Kind kann sie malen und wir würden sie erkennen. Denn wir haben direkten Zugang zu ihnen und unzählige Erfahrungen abgespeichert, die uns sagen, was Wasser, Luft und Erde sind – und warum sie für uns wichtig sind. ❧ Dies ist an einem kleinen Test schnell verdeutlicht. Schreiben Sie sich einmal «natürliche Ressourcen» auf einen Zettel. Nun notieren Sie darunter die ersten zehn Dinge, die Ihnen durch den Kopf gehen. Wiederholen Sie die Übung für «Luft», «Wasser» und «Erde». Wenn Sie die Listen vergleichen, fällt ins Auge: Während unter «natürlichen Ressourcen» vornehmlich Substantive stehen, tauchen bei den anderen drei Konzepten zunehmend Verben wie «atmen», «trinken» oder «graben» und Adjektive wie «frisch», «nass» oder «braun» auf. Der Grund ist einfach. Unser Gehirn erkennt die drei Materien aus seiner konkreten Welterfahrung heraus wieder – und ruft automatisch Sinneseindrücke in Form von Adjektiven und Interaktionsmuster in Form von Verben auf. Mit dem Resultat, dass unser Gehirn zum Beispiel unmittelbar den Zusammenhang dieser drei «natürlichen Ressourcen» mit Sauberkeit und ihre Bedeutung für uns (er)fassen kann.
Ideologisch-sprachliche Fehlgriffe
Selbst eine gestandene Bezeichnung wie «Klimaschutz» ist ein ideologisch-sprachlicher Fehlgriff für all jene, denen der Schutz von Natur und Menschen am Herzen liegt. Ob «Klimaschutzpolitik», «Klimaschutzziele» oder die «Sorge um das Klima», der Temperaturanstieg erscheint hierbei als ein Phänomen sui generis. Der Schutz-Frame vergibt nämlich drei Rollen: eine Bedrohung, ein potenzielles oder tatsächliches Opfer und den Retter, der schützend eingreifen soll. ❧ Im Klimaschutz-Begriff wird die Opferrolle dem Klima zugeschrieben – nicht den Menschen und der Natur! Die Bedrohung liegt im Anstieg der Temperatur. Und die rettenden Helden – sind die Menschen. Was auffällt: Die Ursache der Bedrohung wird nicht benannt. Wer davon ausgeht, dass der weltweite Temperaturanstieg auch von Menschenhand gemacht ist, sollte den Klimaschutz-Frame meiden – denn er blendet den Menschen als Schadenverursacher aus. Und er benennt nicht, worum es wirklich geht: den Schutz der Menschen und der Natur. ❧ Begriffe wie «globale Erwärmung» und «Klimawandel» machen die Sache nicht besser, im Gegenteil. Sie erschweren es progressiven Naturschützern, die Dringlichkeit ihres politischen Anliegens greifbar zu machen.
Die Zerstörung der Natur ist keine Seuche
Allerdings vermittelt nicht jeder Frame, der Dringlichkeit impliziert, automatisch auch die eigene Sicht auf ein politisches Anliegen. Das Wort «Umweltverseuchung» ist ein Beispiel. Der Begriff nutzt eine Metapher: Wir übertragen unser Wissen darüber, was eine Seuche ist, auf die Umweltverschmutzung. Eine Seuche ist eine ansteckende Krankheit, deren Erreger in die Bevölkerung getragen wird – von Ratten, so das stereotype Bild aus Geschichte und Literatur. Ist die Seuche einmal ausgebrochen, weitet sie sich rapide und ohne weiteres Zutun aus – bis sie irgendwann von selbst wieder abflaut. Es ist den Menschen kaum möglich, einer Seuche Einhalt zu gebieten, obwohl sie die Dringlichkeit erkennen. ❧ Macht man also die Zerstörung der Natur metaphorisch als «Seuche» begreifbar, blendet man gedanklich völlig aus, dass es sich dabei um einen Prozess handelt, dem der Mensch Einhalt gebieten könnte, wenn er wollte, der aber täglich von Menschenhand weiter vorangetrieben und nicht eines Tages einfach von allein ausklingen wird. ❧ Wer seinen Mitmenschen die Notwendigkeit eines Handelns im Sinne der eigenen Überzeugungen und politischen Ziele begreifbar machen möchte, sollte die richtigen Frames gebrauchen – eine konkrete und alltagsnahe Sprache, die die ideologischen Prämissen deutlich erkennbar macht. Das ist unabdingbar für ein effektives und transparentes demokratisches Miteinander. Denn politischer Streit ist nie ein Streit um
die Fakten an sich, sondern darum, welche Ursachen und Lösungen man angesichts der eigenen Ideologie aus einer Faktenlage ableitet – im Naturschutz und darüber hinaus.
Elisabeth Wehling forscht derzeit an der University of California, Berkeley in Amerika. Sie ist Linguistin, Kognitions- und Ideologie-forscherin, sowie Autorin des 2016 erschienenen SPIEGEL-Bestsellers «POLITISCHES FRAMING: WIE EINE NATION SICH IHR DENKEN EINREDET – UND DARAUS POLITIK MACHT».
«Interview von Dr. Elisabeth Wehling: «Kognitionswissenschaft gehört in die Bildung»: