Im Jahr 2019 wird die Konzernverantwortungsinitiative vors Schweizer Stimmvolk kommen. Die Initiative fordert verbindliche Regeln zum Schutz von Mensch- und Umweltrechten für Schweizer Konzerne – auch im Ausland. Transnationale Unternehmen müssen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen zu Rechenschaft gezogen werden können, wie der aktuelle Skandal um LafargeHolcim zeigt.

Die Schweiz-Französische Fusion und weltgrösster Zementkonzern LafargeHolcim muss sich wiederholt schweren Vorwürfen stellen: Über sein Tochterunternehmen HimaCement wurden Baustoffe aus einem Steinbruch bezogen, in dem Kinder arbeiten.

150 Kinder habe der Konzern nach Recherchen der französischen «Le Monde» und den Hilfswerken «Brot für alle» und «Fastenopfer» bis im letzten Herbst in Steinbrüchen in Uganda für sich arbeiten lassen. Die Kinderarbeit reicht nach Aussagen vor Ort bis in die frühen 2000-er Jahre zurück. Viele der befragten Kinder hätten sich bei der gefährlichen Arbeit Verletzungen zugezogen. LafargeHolcim stritt die Vorwürfe bei der Generalversammlung vom 3. Mai 2017 ab und bezog sich auf eine bereits im Januar veranlasste interne Prüfung. Die zeige weder bei HimaCement selbst noch bei Zulieferern Kinderarbeit auf. LafargeHolcim hat seinen Produktionsprozess umgestellt und bezieht seine Rohstoffe seit 2017 nur noch aus mechanisierten Steinbrüchen. Der Konzern betont seine Schritte in der freiwilligen sozialen Unternehmensverantwortung (CSR – Corporate Social Responsibility): Man habe die Kontrollen in der betroffenen Region verschärft und sei freiwillig dabei, Sanitäranlagen für die Schule vor Ort zu bauen. Der Rückzieher reicht den Kritikern nicht. LafargeHolcim stehe immer noch in der Verantwortung, da die Kleinschürfer und ehemaligen Kinderarbeiter durch die Umstellung auf mechanisierte Rohstoffbeschaffung von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit verloren haben.

«Jahrelang hat der Zementkonzern Profit auf Kosten von Kindern und Jugendlichen erwirtschaftet. Diese haben dafür die Schule vernachlässigt oder keine Ausbildung erhalten», so Brot für alle. Darum fordern die Organisationen von LafargeHolcim, dass der Konzern die ehemaligen Kinderarbeiter darin unterstütze ihre fehlenden Schul- und Ausbildungsjahre nachzuholen.

Mit einem schnellen Rückzug aus der Kinderarbeit stehle sich der Konzern allenfalls aus der Verantwortung. Die Folgen aber bleiben bestehen. «Der Konzern darf nicht nur Massnahmen zur Verminderung des Reputationsrisikos für sich treffen, sondern muss den Wechsel zu Steinbrüchen ohne Kinderarbeit mit seinen Folgen auffangen. Das gehört zu seiner Sorgfaltspflicht, so wie dies die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Uno (UNGP) verlangen», so  Maillard Ardenti von Brot für alle.

Der jüngste Skandal um LafargeHolcim ist nur ein Beispiel dafür, wie es um Konzernverantwortung auf freiwilliger Basis tatsächlich steht. Recherchen von «Le Monde» im Sommer 2016 zeigten Beziehungen der LafargeHolcim zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf. Demnach wurden von einem Lafarge-Zementwerk, etwa 150 Kilometer nordöstlich von Aleppo, Schutzgelder an die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgezahlt. Das französische Wirtschaftsministerium und weiteren Organisationen verklagten die LafargeHolcim daraufhin wegen Terrorismusfinanzierung und Umgehungen von EU-Sanktionen gegen das Assad-Regime. Nach internen Untersuchungen räumte LafargeHolcim im März dieses Jahres tatsächlich ein, «dass das lokale Unternehmen Gelder an Dritte zahlte».

Solche undurchsichtigen Machenschaften dürfen nicht sein. Transnationale Unternehmen müssen durch verbindliche Regeln für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen zu Rechenschaft gezogen werden können. Dies fordert die Konzernverantwortungsinitiative, die im Jahr 2019 vor das Schweizer Stimmvolk kommen wird. Die Initiative fordert eine verbindliche Sorgfaltspflicht für Schweizer Konzerne –  auch im Ausland. Frankreich macht es vor.

Ende Februar dieses Jahres hat der Oberste Gerichtshof in Frankreich, trotz Widerstand aus konservativer Ecke, ein Gesetz verabschiedet, welches die Konzernverantwortung oder Sorgfaltspflicht nicht nur für die in Frankreich ansässigen Firmen festlegt, sondern auch die Subunternehmen oder Auftragsempfänger in die Pflicht nimmt. Das französische Gesetz entspricht der Schweizerischen Konzernverantwortungsinitiative weitgehend. Die Konzerne müssen einen Sorgfaltsplan erarbeiten, der aufzeigt, wie menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungen im Geschäftsgeschehen implementiert wurden. Die Unternehmen haben 3 Monate Zeit eine solche Sorgfaltsprüfung zu erarbeiten. Kommen sie dem nicht nach drohen Bussen von bis zu 10 Millionen Euro ausserdem müssen bis dahin entstandene Menschenrechtsverletzungen entschädigt werden – falls sie verhindert hätten werden können.

Ein solcher Beschluss kann die Weichen stellen für präventive Untersuchungen von Menschenrechts- und Umweltschutzrisiken im globalen Wirtschaftssystem. Ob die im Gesetz vorgesehenen Strafen auch umgesetzt werden, beschäftigt zur Zeit noch die französischen Gerichte. In einem ersten Schritt erklärte das Verfassungsgericht die Bussen als verfassungswidrig – und strich sie wieder aus dem Gesetz. Das ist bedauerlich. Denn als nur einer von vielen zeigt der Fall LafargeHolcim wie es um Konzernverantwortung auf freiwilliger Basis bestellt ist. Wir tun gut daran, transnationale Konzerne zur Überprüfung von Menschenrechtsrisiken zu verpflichten. Und zwar präventiv.

Kinderarbeit in Rohstoffminen, tödliche Emissionen in Sambia, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Osteuropa – auch Schweizer Unternehmen müssen den Schutz von Umwelt- und Menschenrechte in ihre wirtschaftlichen Prozesse implementieren. Und das verbindlich. Bislang profitierten Konzerne von expandierenden Freiheiten. Was hierzulande nicht machbar oder zu teuer war, verlegten transnationale Firmen einfach ins Ausland. Dort konnte man sich die Hände getrost schmutzig machen. Man verliess und verlässt sich immer noch auf die soziale Unternehmensverantwortung (CSR – Corporate Social Responsibility). Rahmenbedingungen zur Sicherung von Menschenrechten und dem Schutz der Umwelt sind bis dato kaum gegeben. Die Konzernverantwortungsinitiative setzt dem entgegen und verfasst verbindliche Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt. Ihr Kernmechanismus setzt sich aus der Sorgfaltsprüfungspflicht unter dem Leitsatz: Prüfen, handeln und drüber berichten und deren weltweiten Gültigkeit für alle Geschäftsbeziehungen des Konzerns sowie der Haftbarkeit der Konzerne und deren Tochterfirmen zusammen.

Die Anweisung zu einer Sorgfaltsprüfung in einem Unternehmen ist völkerrechtlich bereits festgelegt, aber nur im sogenannten «weichen Völkerrecht». Die Durchsetzung einer Sorgfaltprüfungspflicht überlässt die UNO damit den Mitgliedsstaaten. Die Konzernverantwortungsinitiative möchte die völkerrechtlich verbriefte Sorgfaltsprüfung verbindlich machen und den Umweltschutz mit abdecken.