Dass neue Arten entdeckt werden, kommt vor. Sogar häufiger, als man annehmen könnte. Dass in unserer bis in den letzten noch so kleinen Winkel vermessenen und dokumentierten Welt ein neues Ökosystem auftaucht, hat hingegen niemand mehr geglaubt.

Ein atemberaubender Fund am Grund der Mündung des Amazonas in den Atlantik belehrt uns eines Besseren. Hier liegt vor der Küste Südamerikas, zwischen Französisch-Guayana und dem brasilianischen Bundesstaat Maranhão, in teils über 100 Meter Tiefe, ein rund 9´500 Quadratkilometer grosses Korallenriffsystem. Ein gigantisches Ökosystem, eine Fläche so gross wie ein Viertel der Schweiz, mit einer eigenen charakteristischen Biodiversität, einem spezifischen Mikroklima und sogar eigenen, nur an diesem Riff vorkommenden Arten.

„Es war einfach undenkbar, dass in diesem Küstenabschnitt überhaupt ein Riff zu finden sein könnte“, sagt die Greepeace Meeresbiologin Sandra Schöttner in einem Interview. Und nicht nur das. Fabiano Thompson, Ozeanologe an der Universität von Rio de Janeiro und Entdecker des Riffs  beschreibt den Fund so: «Das Riff, welches wir gefunden haben, ist viel grösser als angenommen und tiefer und reicher an Leben, als wir je geglaubt haben“. In einer Mündung, wo schlammige Flüsse wie der Amazonas und das Meer zusammentreffen, herrschen Umstände, von denen man bisher annahm, dass sie das Leben von Korallen unmöglich machen: trübe Gewässer, Sedimente und organische Schwebstoffe, welche kaum Sonnenstrahlen durchlassen. Nach Thompson stellt die Entdeckung des Amazonas Riffs die bisherigen Meinungen und Erkenntnisse über Korallen und das Leben am Riff völlig auf den Kopf. Und nicht nur das. Auch das Wissen über den Amazonas und seine Wälder muss mit der Entdeckung des Riffs hinterfragt werden. Denn, so Ronaldo Francini Filho, Ökologe der Paraiba-Universität Brasilien, der Amazonas, der Urwald und das Riff sind durch ökologische Prozesse im ständigen Austausch. Ein gigantisches Ökosystem mit einer überragenden Biodiversität und von globaler Bedeutung.

Doch das kostbare und einzigartige Riff wird durch geplante Ölbohrungen bedroht. Der Konzern Total plant in nur acht Kilometern Entfernung zum Riff, nach Öl zu suchen. Auch BP, der britische Mutterkonzern der deutschen Firma Aral, bereitet Probebohrungen vor.

Um einen unmittelbaren Schutz des einzigartigen marinen Ökosystems zu erreichen, haben Greenpeace und eine Gruppe Wissenschaftler ­– die Entdecker des Riffs, erstmals mit Unterseebooten das Riff dokumentiert.

Amazonas, Brasilien John Hovecar, Ocean Campaigner von Greenpeace USA hält seine persönlichen Eindrücke und Gedanken zu dem neu entdeckten Amazonas Reef in einem Video fest.