Erbschaften: Gemeinsam für dieselben Ideale. Die Kooperation zwischen Greenpeace Schweiz und der Stiftung Edith Maryon

Aus Gründen der Unabhängigkeit kann Greenpeace keine Liegenschaften oder Grundstücke als Erbe annehmen, die nicht verkauft werden dürfen. Anfang 2015 sind wir deshalb mit der Stiftung Edith Maryon aus Basel eine Kooperation eingegangen.

Sie ist schnell erklärt: Vererbte Liegenschaften gehen an die Stiftung Edith Maryon über, die den Erhalt der Häuser sowie ihre sozialverträgliche und ökologische Nutzung garantiert, und überschüssige Erträge kommen Greenpeace zugute. Dank dieser bestechend einfachen Idee haben unsere SpenderInnen ab sofort die Möglichkeit, ihre persönlichen Ziele zu erreichen und gleichzeitig Greenpeace zu unterstützen. Um-gekehrt können Personen, die ihre Immobilie direkt der Stiftung Edith Maryon vererben, neu auch die Umweltaktivitäten von Greenpeace alimentieren.

Es ist bereits gelungen, zwei langjährige SpenderInnen für die Idee zu gewinnen. Das folgende Interview mit Verena Gabathuler und Jürg Beat Meier (Greenpeace-Spender) und der Bericht des Ehepaars Wirth (Spender der Stiftung Edith Maryon) zeigen, dass die Kooperation funktioniert und es ermöglicht, bei der Umsetzung des ökologischen und des sozialen Engagements zwei Fliegen auf einen Streich zu treffen.

© Greenpeace / Ex-Press / Miriam Künzli

Verena Gabathuler (60) und Jürg Beat Meier (60) leben in einem Flarzhaus in Bäretswil im Zürcher Oberland (Bild oben). Durch Vermittlung von Greenpeace Schweiz vermacht das Paar der Stiftung Edith Maryon testamentarisch vier Flarzhausteile. Die Stiftung garantiert den Erhalt der Häuser sowie ihre sozialverträgliche und ökologische Nutzung.

RT: Warum wollen Sie Ihre Flarzhäuser der Stiftung Edith Maryon vermachen?

VG: Wir hängen sehr an den vier Flarzhausteilen und möchten, dass sie so bestehen bleiben. Wir haben keine Kinder und wollen verhindern, dass die Häuser zu Spekulationsobjekten werden.

JBM: Wir haben sie mit viel Herzblut nach ökologischen Richtlinien renoviert und dabei möglichst viel von der alten Bausubstanz erhalten. Das bedeutet, dass sie auch heute noch fast vollständig mit Holz geheizt werden — bei uns vor allem mit dem grossen Kachelofen. Über die Jahre haben wir eine starke Bindung an unser Haus entwickelt.

Wie sind Sie auf die Maryon-Stiftung gekommen, die ihren Sitz in Basel hat?

VG: Wir machten uns schon vor zehn Jahren erstmals Gedanken, was mit den Häusern nach unserem Tod passieren soll. Damals fragten wir Greenpeace wegen einer Schenkung an, doch die Organisation hätte die Häuser in diesem Fall aus rechtlichen Gründen verkaufen müssen. Die Partnerschaft von Greenpeace mit der Stiftung Edith Maryon ermöglicht nun genau die Form des Nachlasses, die wir uns gewünscht haben.

Was hat Sie am meisten überzeugt?

VG: Uns gibt die Partnerschaft ein gutes Gefühl. Wir haben Greenpeace schon zur Zeit der ersten «Rainbow Warrior» unterstützt, des Schiffs, das 1985 versenkt wurde. Greenpeace macht global, was uns lokal wichtig ist.

JBM: Wir hatten uns überlegt, selber eine Stiftung zur Erhaltung der Flarzhäuser zu gründen, die bis zu unserem Tod inaktiv geblieben wäre. Doch das haben wir vertagt, weil es uns zu kompliziert und zu teuer war. Die Zweckbindung im Leitbild der Stiftung Edith Maryon, dass die Häuser nicht verkauft sowie umwelt- und sozialverträglich genutzt werden, könnte aus unserer Feder stammen. Überzeugt hat uns auch, dass die Stiftung 25 Jahre Erfahrung hat und wir keine Versuchskaninchen sind.

Warum sind Sie gerade jetzt aktiv geworden?

JBM: Wir sind von Greenpeace angefragt worden, ob wir für die Häuser unterdessen eine Lösung gefunden hätten. Der Zeitpunkt stimmt aber auch von unserer persönlichen Situation her, denn inzwischen bin ich frühpensioniert — ich war Unternehmer im Internetbereich.

VG: Ich bin noch teilerwerbstätig — als Sozialarbeiterin und Theatermacherin. Ich finde es aber wichtig, dass wir uns jetzt schon Gedanken über alle Eventualitäten machen. Unser Flarzhaus ist nicht rollstuhlgängig und es liegt abseits des Dorfes an einem Hügel.

Wie sind die schönen alten Häuser in Ihren Besitz gekommen?

VG: Unseren Hausteil haben wir vor 17 Jahren über ein Inserat in der Zeitung gefunden. Wir mussten einiges renovieren. 2001 bot sich die Gelegenheit, auch die zwei angebauten Hausteile zu kaufen. 2012 kam noch ein Flarzhausteil im Dorf Bäretswil dazu. Unsere Schenkung umfasst alle Flarzhausteile als Gesamtpaket.

Ein Verkauf stand für Sie nie zur Debatte?

JBM: Wir wollen ja noch möglichst lange hier wohnen bleiben, am liebsten bis zum Tod. Deshalb kommt für uns ein Verkauf nicht in Frage, doch möchten wir wissen, was mit den Häusern danach passiert.

VG: Wir haben einen Teil des Geldes, mit dem die Häuser gekauft und renoviert wurden, selber erwirtschaftet, einen Teil aber auch geerbt. Wir waren immer der Meinung, dass man von einer Erbschaft etwas an die Gesellschaft zurückgeben sollte.

Gibt es für Sie auch gesellschaftliche Gründe, warum Sie die Häuser erhalten möchten?

VG: Es sind Häuser mit vielen Spuren des Lebens. Im Keller haben wir noch die Aufhängevorrichtung für den Webstuhl gefunden, mit dem Heimarbeit gemacht wurde, und die Balken im oberen Teil sind vom Herdfeuer geschwärzt, was wir so gelassen haben. Es sind Häuser

mit Geschichte. Gleichzeitig ist der Flarz ein gutes Beispiel für verdichtetes Wohnen und in diesem Sinn auch zukunftsweisend.

JBM: Die Häuser sind Zeitzeugen. Es sind typische Häuser dieser Gegend, die ursprünglich von Kleinbauern und Heimarbeitern bewohnt wurden. Die ersten Erwähnungen unseres Hauses gehen auf den Anfang des 18. Jahrhunderts zurück, aber die ältesten Gebäude sind wohl um 500 Jahre alt. Interessantes erfuhren wir über das Leben im Haus: 1806 liess die Familie Pfenninger einen Kachelofen einbauen. Zehn Jahre später folgte die verheerende Hungersnot von 1816.

Bietet Ihnen die Stiftung auch die Möglichkeit, bei der späteren Nutzung mitzubestimmen?

VG: Wir können Wünsche äussern. Wichtig ist uns, dass die Häuser zu anständigen Preisen vermietet werden — an Menschen, die das Besondere schätzen und Freude daran haben. Wir könnten uns auch eine soziale Institution darin vorstellen. Und allenfalls wäre es möglich, die Scheune ausbauen, die wir heute nur als Garage und Abstellraum nutzen.

JBM: Das Haus ist ja nicht einfach ein Mietobjekt. Man braucht eine Beziehung dazu, denn mit einer Holzheizung und rund 3000 Quadratmetern Umschwung muss man bereit sein, auch Zeit zu investieren.

Die Stiftung setzt sich für eine ökologische und soziale Zukunft ein. Was ist für Sie persönlich das Wichtigste?

VG: Für mich ist die soziale Komponente wichtig, das passt auch zu meinem Beruf — und mir gefällt, dass wir auf diese Weise die Zukunft beeinflussen können. Es wäre schön, wenn auch andere Leute Gefallen fänden, über eine Schenkung Häuser zu erhalten und der Spekulation zu entziehen.

JBM: Die Zielsetzung der Stiftung gibt Gewähr, dass die Flarzhäuser so erhalten bleiben, wie sie heute sind. Eine Stiftung kann ihren Zweck ja nicht einfach ändern.

Der Nachlass

Verena Gabathuler und Jürg Beat Meier vermachen der Stiftung Edith Maryon vier Flarz-hausteile mit rund 3000 Quadratmetern Umschwung. Den ältesten Hausteil bewohnt das Paar selber, die zwei angebauten Teile sind vermietet. Ein weiteres Flarzhaus in einer Häuserreihe mitten im Dorf ist ebenfalls Teil des Legats. Die vier Häuser gehen nach dem Tod der Besitzer rechtskräftig in den Besitz der Stiftung über. Greenpeace erhält den finanziellen Überschuss aus der Nutzung. Im Zentrum steht aber nicht der Ertrag, sondern eine sozialverträgliche Nutzung.

Johannes und Doris Wirth-Nebiker verkauften der Stiftung ihre Liegenschaft zu günstigen Konditionen

Bericht: Johannes und Doris Wirth-Nebiker

Bereits im Zusammenhang mit der Suche nach einer dauerhaft tragbaren, jegliche Bodenspekulation ausschliessenden Lösung für das neue Gelände des Paracelsus-Spitals in Richterswil hatten wir Kontakt mit einem der Beiräte der Stiftung Edith Maryon. Später stellten wir uns die Frage, wie es nach uns einmal mit unserer eigenen Liegenschaft an der Sonnenbergstrasse in Zürich weitergehen soll, und kamen wieder auf die Stiftung zurück. Heute sind hier unter anderem ein Rudolf-Steiner-Kindergarten und Arztpraxen des Paracelsus-Zentrums Sonnenberg Zürich untergebracht. Hinzu kommen insgesamt neun Wohnungen. Wir möchten, dass das Soziale, das wir hier mit aufgebaut haben, weitergeht, egal worum es sich dabei im Einzelnen handelt. Unsere Kinder, von denen keines in Zürich lebt, haben uns frühzeitig signalisiert, dass sie kein Interesse am ganzen Haus haben. Um sie jedoch wenigstens ein bisschen am Haus teilhaben zu lassen und ihnen ein Standbein in Zürich zu sichern, haben wir uns schliesslich entschieden, 30 Prozent des Gebäudes (einen Teil der Wohnungen) im Familieneigentum zu behalten. 70 Prozent der Liegenschaft haben wir deutlich unter Verkehrswert an die Stiftung Edith Maryon verkauft. Wir haben Vertrauen in die Stiftung. Ihre zahlreichen sozialen Liegenschaftsprojekte und ihre nichtspekulative Zielsetzung haben uns überzeugt.

Aufgrund der Kooperation mit Greenpeace hat das Ehepaar Wirth zugestimmt, dass ein Teil der Nettoerträge der Liegenschaft für die nächsten zehn Jahre an Greenpeace gespendet werden.