+++ Update 5. August 2015 +++

Great Barrier Reef: Teilerfolg vor Bundesgericht

Hoffnungsschimmer für das «Achte Weltwunder»: Das australische Bundesgericht entzieht den Planern einer riesigen Kohlemine in der Nähe des Great Barrier Reef die Bewilligung und schickt sie zur Nachbesserung ihres Dossiers zurück auf Feld 1. Die Richter urteilten, dass unter anderem Umweltauflagen nur ungenügend berücksichtigt wurden. Der monatelange Druck von Greenpeace und anderen Organisationen hat damit zu einem wichtigen Teilerfolg geführt in der Kampagne gegen das von der Regierung in Canberra unterstützte Projekt des indischen Konzerns Adani. Die Arbeit geht weiter: Das Drecksgeschäft im hochsensiblen Unterwassergarten von Queensland muss ganz unterbunden werden. Riffschutz oder Kohleabbau – beides geht nicht. Für uns ist der Fall klar.


+++ Update 2. Juli 2015 +++

UNESCO fordert Schutz des Great Barrier Reefs

Die Kriterien für die Rote Liste sind erfüllt. Das Great Barrier Reef hat in den vergangenen 30 Jahren etwa die Hälfte seiner Korallenpracht durch Klimaerwärmung, Verschmutzung des Wassers, Kohlebergbau etc. verloren. Die UNESCO gibt Australien nun aber eine Chance, Massnahmen für die Erhaltung des Riffes zu erlassen und verzichtet vorderhand darauf, das Weltnaturerbe in den strengsten Schutzstatus zu erheben und entsprechend durchzugreifen.

Die Welterbe-Behörde fordert die australische Regierung auf, bis Dezember 2016 einen Bericht abzuliefern, der dokumentieren soll, was wirklich für den Schutz des Great Barrier Reefs getan wird. Jetzt muss die Abbott-Administration beweisen, dass sie den Riffschutz ernst nimmt. Bisher spielte sie die Gefahren durch den Klimawandel und den Kohleabbau herunter.

Die australische Regierung befindet sich nun in einem klassischen Dilemma: Eigentlich will sie die Kohleindustrie weiter ausbauen. Doch das Riff hat eine enorme ökologische und wirtschaftliche Bedeutung. 1981 wurde es von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Mit dem gestrigen Entscheid in Bonn, ist nun der Blick erneut auf Canberra gerichtet. Soll die Regierung das Riff umfassend schützen und den Kohleabbau verbieten oder diesen weiter planen und das Einschreiten der UNESCO riskieren, was einen noch strengeren Riffschutz zur Folge haben könnte? Greenpeace wird die weiteren Entwicklungen genau im Auge behalten.


Das Great Barrier Reef ist ein Garten des Lebens, ein biologischer Superlativ. Doch die Kohleindustrie hegt mit Regierungshilfe düstere Pläne an der australischen Nordostküste — für die paradiesische Unterwasserwelt eine Gefahr.

Korallen — sie wachsen bloss wenige Mikrometer pro Jahr und werden trotzdem Hunderte bis Tausende Jahre alt. Durch eine einzige Berührung können sie sterben. Eine kleine Unachtsamkeit, etwa ein Abstossen oder Festhalten beim Tauchen, kann sie zerstören. Es gibt sie praktisch in allen Farben, von leuchtend rot bis pechschwarz. Sie machen die Meere insbesondere in den Tropen zu blühenden Unterwassergärten und Oasen des Lebens. Doch Korallen sind keine Pflanzen, sondern Polypen und damit Tiere, die mit Algen zusammen in einer einzigartigen Symbiose leben und sich von Kleinstlebewesen (Plankton) ernähren.

Korallenriffe sind neben unterirdischen Pilzgeflechten die grössten bekannten, von Lebewesen — in diesem Fall von riffbildenden Nesseltieren (Polypen) — geschaffenen Strukturen der Erde. Sie sind von grosser ökologischer Bedeutung — etwa als Lebensraum, Klimastabilisatoren und Brandungsschutz. Nicht alle Korallen bilden Korallenriffe. Diese entstehen insbesondere in den Subtropen und Tropen, wo die Temperaturverhältnisse stabil sind.

Ein Blick in die Traumzeit

Eines der beeindruckendsten Korallenriffe der Welt befindet sich vor der australischen Nordostküste: Das Great Barrier Reef erstreckt sich über eine Länge von 2300 Kilometern und liegt bis zu 300 Kilometer von der Küste entfernt. Seine Gesamtfläche ist mit der Grösse Deutschlands vergleichbar. Sein Ursprung liegt mindestens 600’000 Jahre zurück. Es ist mit blossem Auge vom Weltall aus zu sehen und gilt als «das achte Weltwunder». Die UNESCO ernannte das Korallenriff vor dem Bundesstaat Queensland 1981 zum Weltnaturerbe.

Die Ureinwohner Australiens nennen es «Waga Gaboo» — das «Grosse Riff». Generationen befuhren es mit Kanus, fingen Fische und erzählten sich traditionelle Geschichten über seine Tierwelt. Die Traumzeit-Legenden der Aborigines handeln von der universellen, raum- und zeitlosen Welt, aus der die reale Gegenwart hervorgeht. Vor Queensland ist dieser Schöpfungsprozess besonders gut sichtbar: Das farbenprächtige Great Barrier Reef ist ein biologischer Superlativ. Einzutauchen in seine exotische, magische Unterwasserwelt ist ein berauschendes Ereignis — reine Meditation. Es war Teil ihres Lebens, Teil der sogenannten Traumzeit: Es ist, als ob die Regenbogenschlange, die in der uraustralischen Mythologie die Einheit von Geist und Materie symbolisiert und in ihrer Erscheinung als weiblicher Erdgeist auf der Erde Berge, Täler und Wasserlöcher formt, im Great Barrier Reef ihre ganze Schöpfungskraft einsetzte.

Was manch einer heute als das grösste Lebewesen der Erde bezeichnet, ist insgesamt betrachtet kein geschlossenes Riffsystem, sondern besteht aus 2900 Einzelriffen und 600 Inseln (71 Koralleninseln). Unzählige winzige Polypen erzeugen jeden Tag auf einem Quadratkilometer Riff vier Tonnen Kalksteingerippe. Der Artenreichtum im «grössten Aquarium der Welt», wie es ebenfalls genannt wird, ist gigantisch: Über 1500 Fisch-, 5000 Weichtier- und 400 Korallenarten leben dort. Auf seinen Inseln nisten Abermillionen von Seevögeln. Das Riffsystem ist Lebensraum unzähliger Meeressäugetiere wie Schildkröten, Wale, Seekühe und Delfine.

Auch ein Riese ist verletzbar

Ein lebendiger Organismus dieser Grösse ist nicht unsterblich. Die Traumzeit wird hier immer mehr zum Albtraum. Menschliche Aktivitäten setzen dem sensiblen Great Barrier Reef enorm zu: Zuckerrohranbau, Aluminium-Herstellung, Fischerei, Schiffstransporte, Hafenausbau, Siedlungsdruck, Tourismus. Und vor allem die Klimaerwärmung. Denn Warmwasserkorallen ist es schnell zu kalt oder zu warm. Dann sterben sie. Korallenbleiche und -schwund sowie sinkende Wasserqualität sind ernstzunehmende Symptome. In den letzten 30 Jahren ist die Hälfte der Korallen verschwunden. Erfahrenen TaucherInnen treibt das schon mal Tränen in die Augen.

Jetzt droht noch mehr Ungemach: Im Hinterland des Bundesstaates Queensland liegen ertragreiche Kohleminen. Der Abbau und der Abtransport der Kohle greifen direkt und aggressiv in das empfindliche Meeresökosystem ein. Und die Verbrennung des fossilen Brennstoffs heizt die Klimaerwärmung weiter an, die wiederum die Korallen tötet. 2013 erteilte die australische Regierung einem indischen Konzern grünes Licht für eine Erweiterung des Kohlehafens Abbot Point in der Nähe des Riffs — es wäre der grösste der Welt. Zusammen mit anderen Organisationen konnten wir das Projekt bis heute aufhalten. Unser Schiff «Rainbow Warrior» ist vor Ort, um den Druck aufrechtzuerhalten.

Druck von aussen nötig

Rund 60’000 Jobs sind vom Great Barrier Reef abhängig. Deshalb stellt sich auch die Tourismusindustrie gegen das gefährliche Vorhaben. Sie alle fordern die Regierung in Canberra auf, das Great Barrier Reef stärker zu schützen. Das Projekt findet kaum Geldgeber. Selten waren sich WissenschaftlerInnen, Banken und UmweltschützerInnen so einig: Kohleförderung oder Riffschutz — beides zusammen geht nicht.

Eine im Auftrag von Greenpeace durchgeführte Umfrage eines neutralen Meinungsinstitutes bestätigte kürzlich, dass die Mehrheit der befragten AustralierInnen mit dem Ausbau der Kohleindustrie am Great Barrier Reef nicht einverstanden sind. Dass man der aktuellen Regierung um Premier Tony Abbott die Zukunft des Great Barrier Reef nicht überlassen kann, zeigt ein Blick auf die geplanten Schutzmassnahmen. Ihr Reef-2050-Plan lässt zum Beispiel nach wie vor geplante Kohleminen und Hafenerweiterungen zu. Die Regierung spielt die Gefahren des Klimawandels herunter. Stattdessen startete sie eine PR-Offensive und lud JournalistInnen aus aller Welt ein, um ihnen zu versichern, dass es dem Riff gut gehe — eine glatte Lüge.

Das veranlasste jetzt auch die UNESCO dazu, Druck zu machen: Ende Mai hatte sie der australischen Regierung die Rote Karte gezeigt und Bedenken geäussert. Sie will binnen 18 Monaten von Australien einen ökologischen Fortschrittsbericht sehen und droht andernfalls damit, den Schutzstatus des Riffs zu erhöhen. Das würde Australien in Schwierigkeiten bringen.

Bewahren oder ausbeuten?

Die Aborigines verstanden sich als Bewahrer des Landes, das sie pflegten und hüteten, dem sie aber auch entnehmen konnten, was sie brauchten, solange es dadurch nicht gefährdet wurde. Mit der Besiedelung Australiens durch die Europäer ging vieles ihres uralten Wissens unwiderruflich verloren. Die Schöpfungsgeschichte jedoch, die Traumzeit, darf im Great Barrier Reef nicht enden.

Greenpeace ruft Australien auf, das Projekt zu stoppen und das Riff stärker zu schützen. Die Weltkulturbehörde muss mit der australischen Regierung einen engen Zeitrahmen zur Überprüfung des Riffschutzes vereinbaren und insbesondere den Ausbau der Kohlehäfen unmissverständlich ablehnen. Tun Sie es uns gleich und verlangen Sie, dass das Weltwunder Great Barrier Reef vor dem Eingriff der Kohleindustrie bewahrt wird.