Konzernverantwortungsinitiative, Durchbruch für den Meeresschutz, Risikoprojekt in der Arktis – erfahren Sie hier die Neuigkeiten aus den Greenpeace-Kampagnen.

Schweizer Multis in die Pflicht nehmen

Immer wieder sind Schweizer Konzerne im Ausland — vor allem in der Dritten Welt — in Skandale um Raubbau an der Natur und Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Juristisch sind sie dafür kaum zu belangen. Bundesrat und Parlament waren bisher nicht bereit, rechtlich verbindliche Verhaltensnormen für Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu formulieren. Das will eine Koalition von 50 Nichtregierungsorganisationen, der auch Greenpeace angehört, nun ändern: Mit ihrer Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Konzerne — zum Schutz von Mensch und Umwelt» (Konzernverantwortungsinitiative) wollen sie in der Schweiz eine Sorgfaltsprüfungspflicht für alle Schweizer Unternehmen gesetzlich verankern. Diese umfasst eine Risikoabschätzung vor Ort, Massnahmen zur Vermeidung und Beendigung allfälliger Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden sowie eine umfassende Berichterstattung. Die Sorgfaltsprüfungspflicht, die sich auf alle Geschäftsbeziehungen einer Firma erstrecken soll, orientiert sich an den Uno-Leitprinzipien.

Zwei Beispiele belegen die Notwendigkeit der Initiative: An einem Augustmorgen im Jahr 2009 fühlten sich Zehntausende von Menschen in Abidjan (Côte d’Ivoire) plötzlich krank. Sie litten an Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmerzen, Hautreizungen und Atemproblemen. Was sie nicht wussten: In der Nacht hatte der Frachter Probo Koala im Auftrag des damaligen Schweizer Konzerns Trafigura illegal 500 Tonnen Giftmüll an mindestens 18 verschiedenen Stellen deponiert. Die Firma musste dafür in der Côte d’Ivoire nie geradestehen.

Als im Mai 2011 Sicherheitskräfte in Yalisika (Demokratische Republik Kongo) schwere Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung begingen, war auch ein Schweizer Konzern involviert: Die Danzer-Tochter Siforco hatte ihr Versprechen nicht gehalten, die Menschen für die Abholzung des Urwalds mit dem Bau einer Schule und eines medizinischen Zentrums zu entschädigen. Stattdessen rief Siforco Soldaten herbei, als es zu Ausschreitungen kam. Ein Dorfbewohner starb, mehrere Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt. Der Konzern übernahm erst Verantwortung, als er für die Ereignisse international geächtet wurde.

Insbesondere in Entwicklungsländern ist der Staat oft nicht in der Lage, den Schutz von Mensch und Umwelt gegenüber den Aktivitäten international tätiger Konzerne zu garantieren. Viele multinationale Unternehmen sind in der Schweiz beheimatet. Pro Kopf der Bevölkerung weist unser Land weltweit die höchste Dichte an international tätigen Firmen auf und ist die Nummer zwei, was Direktinvestitionen im Ausland betrifft.

© Solafrica

Kongolesische Berufsschule bildet Solartechniker aus

Die Berufsschule Ecole Professionnelle du Bâtiment (Eproba) in Kinshasa kann nun auch Solartechniker ausbilden — dank einer Solaranlage, die sie zu ihrem 25-Jahr-Jubiläum erhalten hat. Den Fortschritt ermöglichte die Berner Nonprofitorganisation Solafrica mit Unterstützung von Greenpeace. Solafrica hat sich auf die Verbreitung von Solarenergie in afrikanischen Ländern spezialisiert. Im Fokus steht die Ausbildung der lokalen Bevölkerung.

Zu den Gründern der Schule gehört der Schweizer Hans Greuter. Als er Kinshasa 1962 als junger Sekundarlehrer im Auftrag des evangelischen Hilfswerks erstmals besuchte, zählte die Stadt rund 500 000 Einwohner. Heute leben mehr als 9 Millionen Menschen in der Kongo-Metropole, die ihr stürmisches Wachstum ohne Raumplanung, Baurecht, Strom- und Wasserversorgung bewältigt hat. Die meisten Zuwanderer kamen in der Hoffnung auf Arbeit und Sicherheit. Doch Greuter sagt, es mangle an allem. Am schlimmsten ist für ihn die Hoffnungslosigkeit der jungen Menschen.

Zusammen mit einem lokalen Bauunternehmer, dessen Schweizer Frau bereits eine Primar- und Sekundarschule in Kinshasa gegründet hatte, implementierte Greuter an der Eproba ein duales Berufsbildungssystem nach Schweizer Vorbild. Dank der praxisbezogenen Ausbildung können die Absolventen direkt ins Berufsleben einsteigen. Die Finanzierung der Schule gewährleistet das ökumenische Hilfswerk der beiden Kilchberger Kirchgemeinden — eine Verbindung, die auf Greuter zurückzuführen ist.

Bis anhin wurden an der Eproba Maurer, Schreiner, Sanitärinstallateure, Elektriker und Hochbauzeichner ausgebildet. Dank der neuen Solaranlage können die angehenden Elektriker nun auch in Solartechnik unterrichtet werden. Die Übergabe der Anlage wurde mit einem grossen Anlass gefeiert, an dem lokale Medien, Vertreter der Bildungsbehörde sowie der Schweizer Botschafter Christian Gobet anwesend waren. Dieser zeigte sich vom Projekt begeistert, da die Schule ihren Betrieb nun unabhängig vom störungsanfälligen staatlichen Stromnetz führen kann und für die frisch ausgebildeten SolarelektrikerInnen ausgezeichnete Berufschan- cen bestehen.

In Kinshasa ist ein Stromanschluss für die meisten Menschen ein unerreichbarer Luxus. Die Nutzung der Sonnenenergie hat nicht nur den Vorteil, umweltfreundlich zu sein. Sie ermöglicht den Menschen auch die Unabhängigkeit vom staatlichen Stromnetz und eine unbeschränkte, beständige Versorgung mit sauberer Energie.

Unterstützen Sie die Kampagne unter www.solafrica.ch!

© Tom Jefferson / Greenpeace

Der Schutz der Weltmeere rückt näher

Nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen und hektischen Verhandlungstagen in der Uno gelang am 24. Januar der Durchbruch: Weltweit stimmten Regierungen zu, ein verbindliches Abkommen zu entwickeln, um maritimes Leben in internationalen Gewässern zu schützen. Dieser historische Entscheid wäre nicht möglich gewesen ohne den leidenschaftlichen Einsatz von Meeresschützern. Allein in der Woche vor der Abstimmung liess #oceanlovers mit über 6000 Tweets und Tausenden Facebook-Posts die Uno-Delegierten wissen, dass die Welt endlich Taten sehen will.

Der Uno-Beschluss bietet die Chance, weltweite Standards für den Meeresschutz durchzusetzen, etwa in Form von obligatorischen Umweltschutzprüfungen, ehe grünes Licht für Projekte gegeben wird. Zur zentralen Herausforderung wird die Zusammenarbeit zwischen Meeresschutzorganisationen und den Regulationsbehörden für Fischerei, Abbau, Schifffahrt und Verschmutzung. Auch wenn dieser Prozess viel Zeit erfordert: Die «Wave of Change» (#waveofchange) für den Schutz der grössten Biosphäre der Erde ist ins Rollen gekommen.

Seit Greenpeace mit der Roadmap to Recovery die Regierungen erstmals aufgefordert hat, einen globalen Kataster von Meeresschutzgebieten aufzustellen und 40 Prozent der weltweiten Ozeane zu schützen, ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen. Das bahnbrechende Projekt mündete in die Kampagne für das Uno High Seas Biodiversity Agreement, die stetig gewachsen ist und Tausende UnterstützerInnen weltweit angezogen hat. Der internationale Druck führte schliesslich dazu, dass auch mächtige Staaten wie die USA umschwenkten, die sich jahrelang gegen das Abkommen ausgesprochen hatten. Vor der «Our Ocean»-Konferenz in Washington hatten Greenpeace und zahlreiche andere Organisationen Tausende von Tweets an den US-Aussenminister John Kerry geschickt — mit der Aufforderung, sich an der Veranstaltung für den Schutz der Weltmeere einzusetzen. Kerry räumte ein, dass ihn die Aktion nicht kaltgelassen habe: «Die Ocean-Bewegung ist ein hartnäckiges Völkchen!»

© The United States Coast Guard

Shell treibt Risikoprojekt in der Arktis voran

Shell buhlt bei der US-Regierung um eine Lizenz für Ölbohrungen in der Arktis — mit Aussicht auf Erfolg. Knapp fünf Jahre nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sieht ein US-Plan zur Energieförderung für 2017 bis 2022 vor, dass in zwei ebenso abgelegenen wie sensiblen Meeresgebieten nach Öl gesucht werden darf: in der Beaufort- und der Tschuktschensee nördlich von Alaska.

Beide Regionen verfügen weder über eine ausreichende Präsenz der Küstenwache noch über die Infrastruktur, um angemessen auf ein Ölunglück zu reagieren. Dabei schätzt die US-Regierung die Wahrscheinlichkeit für einen oder sogar mehrere schwere Unfälle auf 75 Prozent. «Es ist unverantwortlich, angesichts dieser enormen Risiken weitere Gebiete der Arktis für die Ölindustrie freizugeben», sagt Lisa Maria Otte, Greenpeace-Expertin für die Arktis. Eine erst kürzlich in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlichte Studie warnt vor weiteren Folgen: Wenn der globale Temperaturanstieg zwei Grad Celsius nicht übersteigen soll, muss das Öl aus dem Arktischen Ozean im Boden bleiben.

Dessen ungeachtet treibt Shell seine Pläne voran. So auch Gazprom: Der russische Staatskonzern ist bisher der erste und einzige, der nördlich der arktischen Eisgrenze nach Öl bohrt. Beide Unternehmen setzen eine einzigartige Region aufs Spiel: Die Arktis ist die Heimat indigener Völker und endemischer Tierarten wie der Eisbären oder der Narwale. Doch es gibt auch Hoffnung auf eine Trendwende: Vor Grönland verlassen Ölfirmen gerade die Arktis und geben ihre Bohrlizenzen zurück. Und die norwegische Statoil gab jüngst bekannt, ihre Arktis-Pläne mindestens für dieses Jahr auf Eis zu legen.

© Lou Dematteis from Crude Reflections

Public Eye Lifetime Award geht an Chevron

Chevron, einer der grössten Ölkonzerne der Welt mit Sitz in San Ramon (Kalifornien, USA) und Fortaleza (Brasilien), kann sich einer zweifelhaften Ehre erfreuen: Der US-Multi hat von Public Eye den ultimativen Schmähpreis verliehen bekommen: den Public Eye Lifetime Award. Aus der «Hall of Shame», in der alle Gewinner der letzten zehn Jahre verewigt sind, hat die Fachjury die Shortlist für diese letzte Online-Abstimmung zusammengestellt. Vom 19. November 2014 bis zum 22. Januar 2015 stimmten weltweit über 60 000 Menschen ab und erkoren Chevron zum Sieger aller Sieger — 2006 hatte der Konzern den Preis in der Kategorie Umwelt für die Verschmutzung grosser Teile noch unberührten Urwalds im Norden Ecuadors erhalten. Bis heute weist das Unternehmen jegliche Verantwortung für eine der wohl schlimmsten Umweltkatastrophen von sich. Trotz eines mehr als 20 Jahre dauernden Rechtsstreits konnte sich Chevron bis anhin jeglicher Bestrafung entziehen.

Am 23. Januar trafen sich im Davoser Hotel Montana über 100 Interessierte, Medienschaffende und Vertreter befreundeter NGOs zur letzten Verleihung des Schmähpreises und zur Abschiedsfeier. Die legendären US-Aktivisten «The Yes Men» führten exklusiv ihr «Requiem auf das WEF» auf, gefolgt von einer Retrospektive des deutschen Europaparlamentariers Sven Giegold. Dieser würdigte das Public Eye, das 15 Jahre lang einen kritischen Blick auf die Geschäftspraktiken von Unternehmen geworfen und zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Plattform geboten habe, um die Verlet- zung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie Umweltzerstörung und Korruption öffentlich und medienwirksam anzuprangern. Am anschliessenden Podiumsgespräch diskutierten die Keynote Speaker mit der Arbeitsrechtsaktivistin Anannya Bhattacharjee, WEF-Kommunikationschef Adrian Monck und Andreas Missbach, Geschäftsleitungsmitglied der EvB, über die Zukunft der Globalisierungskritik.

publiceye.ch/de