Haie – Die faszinierenden Jäger der Meere sind bedroht

Schon seit ca. 400 Millionen Jahren schwimmen sie durch die Weltmeere – lange bevor die ersten Saurier aus dem Ei schlüpften. Sie zählen zu den ältesten heute lebenden Wirbeltieren: Viele der eleganten Jäger existieren beinahe unverändert seit über 60 Millionen Jahren, als die Dinosaurier wieder von der Erde verschwanden.

 

Hohe Artenvielfalt

Gestalt, Sinnesorgane und Anpassungsfähigkeit machen Haie so erfolgreich, dass sie bis heute in grosser Artenzahl existieren: Wissenschaftler unterscheiden zur Zeit ca. 500 Arten, vom ca. 20 Zentimeter kleinen «Zwerglaternenhai» (Etmopterus perryi) bis zum etwa 14 Meter langen Walhai (Rhincodon typus) – dem grössten Fisch überhaupt. Lebensweise, Nahrung und Verhalten variieren sehr: Der Walhai und der Riesenhai filtrieren Plankton aus dem Wasser. Ein ungewöhnliches Aussehen zeigen zum Beispiel die Hammerhaie: Der breite Kopf ermöglicht ihnen vermutlich eine sehr gute Sinneswahrnehmung der Richtung nach.

Haie haben sich an nahezu jeden Meereslebensraum angepasst – von den sehr kalten polaren Gewässern über gemässigte Breiten bis in die Tropen. Auch Süsswasserbereiche haben sie erobert: Der Bullenhai (Carcharhinus leucas) wagt sich, vom salzigen Meerwasser weit entfernt, in Flüsse vor. Der bis zwei Meter lange Gangeshai (Glyphis gangeticus) lebt und gebärt seinen Nachwuchs wahrscheinlich im Süsswasser. Während viele Haiarten sowohl in Küstennähe als auch auf hoher See leben, oft aber nicht tiefer als 300 Meter tauchen, ist z.B. der Pazifische Schlafhai (Somniosus pacificus) in ca. 1’000 Metern Tiefe zu Hause. Sogar in der Ostsee wurden mindestens 18 Hai-Arten als «Gäste» nachgewiesen, die meisten im Skagerrak und Kattegat.

Der «Wolf» der Meere

In den Meeresökosystemen spielen viele Haie eine Schlüsselrolle. Die Beutegreifer stehen oben im Nahrungsnetz und bilden das Meeres-Pendant zu Wolf, Bär, Tiger oder Adler.

Da sich die Meeres-Ökosysteme über viele Millionen Jahre als Ganzes entwickelt haben, kommt jeder Art eine wichtige Funktion zu. Wenn Beutegreifer wie Haie im Nahrungsnetz verschwinden, kann es zur starken Vermehrung der Beutetiere kommen – das natürlich entwickelte Gleichgewicht gerät ins Wanken.

Langsame Fortpflanzung

Während die Weibchen der meisten Fischarten Tausende von Eiern produzieren, die im Wasser befruchtet werden, vermehren sich Haie ähnlich wie Säugetiere: Sie werden erst mit zehn bis zwölf Jahren oder deutlich später geschlechtsreif. Viele Arten haben nur alle zwei bis drei Jahre Nachkommen. Die Tragzeit dauert mit drei Monaten bis einem Jahr ausserdem sehr lange. Mit je nach Art meist nur einem bis dreissig Jungtieren pro Wurf haben sie sehr wenige Nachkommen. Der in der Nordsee heimische und stark gefährdete Dornhai wird sogar erst mit 20-25 Jahren geschlechtsreif, seine Jungen kommen nach einer Tragezeit von fast zwei Jahren zur Welt. Die Weibchen z.B. des Katzenhais legen wenige befruchtete Eier im Wasser ab. Eine ledrige Hülle schützt die Embryonen, die sich vom Eidotter ernähren. Andere Haiarten bringen voll entwickelte Junge zur Welt, wie z.B. Weiß-, Blau-, Hammer-, und Tigerhai. Wie bei Säugetieren verbindet eine Nabelschnur die Embryos mit der Mutter. Nach der Geburt sind sie jedoch sofort selbstständig, die Mutter schwimmt davon. Nur fünf Prozent der Haie gebären den Nachwuchs auf hoher See. Die meisten Haie sind auf intakte Lebensräume an den Küsten angewiesen, die als Geburts- und Kinderstuben dienen. Dies gilt genauso für die Nordsee wie für die Flachwasserzonen tropischer Mangrovenwälder.

Biologisch ungewöhnlich ist die in Aquarien bei manchen Haien beobachtete Geburt ohne vorherige Paarung (Parthenogenese).

Das Sinneswunder

Für Menschen ist es kaum vorstellbar, wie viele Sinneseindrücke gleichzeitig auf einen Hai wirken und sein Verhalten beeinflussen.

Unzählige Sinneszellen schicken Signale ans Gehirn, die von chemischen, optischen, akustischen, mechanischen und elektrischen Reizen ausgelöst werden. Geräusche, wie sie vom Zappeln eines verwundeten Fisches ausgehen, locken einen Hai aus grosser Entfernung an.

Das Gehör ist auf deutlich niedrigere Frequenzen ausgerichtet als das des Menschen. Wenn sich Haie einer Geräuschquelle nähern, nehmen sie Geruchsstoffe auf, was ihnen die Orientierung erleichtert. Mit Hilfe von Riechgruben an der Schnauze spüren sie chemische Substanzen, z.B. Blut, in extrem geringen Konzentrationen auf: Bestimmte Haiarten können solche Geruchsstoffe selbst in einer Verdünnung von 1 zu 10 Milliarden riechen. Etwa zwei Drittel des Hai-Gehirns ist auf Geruchswahrnehmung ausgerichtet.

In unmittelbarer Nähe nehmen Haie schwache elektrische Spannungsfelder wahr, die z.B. vom Herzschlag oder von Muskelkontraktionen einer möglichen Beute stammen. Dieses empfindliche Sinnesorgan, die «Lorenzinischen Ampullen», besteht aus dünnen, schleimgefüllten Kanälen, die über Poren mit der Hautoberfläche verbunden sind. Weitere Informationen gewinnt der Hai optisch, während er seine Beute umkreist, und über den Tastsinn, falls er sie mit der Schnauze anstösst.

«Monster»-Image zu unrecht

Für viele Menschen ist ein Hai der «Inbegriff des Schreckens», obwohl nur äusserst wenige Menschen zu Opfern werden. Zwischen 50 und 80 Haiangriffe weltweit werden dem International Shark Attack File, (www.sharkattackfile.net) dem globalen Sammelregister, pro Jahr gemeldet. Nur 5 bis 15 davon enden überhaupt tödlich. So tragisch dies im Einzelfall ist, sollte man die Relation im Auge behalten: Millionen Menschen baden und tauchen täglich im Meer – auch für sie ist das Risiko, von einem Hai gebissen zu werden, minimal. Es sterben pro Jahr mehr Menschen durch Bienenstiche oder Blitzschlag. Im Jahr 2000 wurden allein 150 Menschen durch herabfallende Kokosnüsse getötet.

Laut Unfallberichten sind ohnehin nur 44 der ca. 500 Hai-Arten als gelegentliche Angreifer bekannt. Dazu gehören der Weisse Hai, der Bullenhai, der Tigerhai sowie verschiedene Arten von Riffhaien. Der Weisse Hai, der im gleichnamigen Film als «mordende Fressmaschine» inszeniert wird, geht unter natürlichen Bedingungen nur alle ein bis zwei Monate auf Jagd.

Die berüchtigten Gruselbilder in Film und Fernsehen werden erst durch gezielte Provokation mit blutigen Ködern möglich. Mittlerweile gibt es ganz andere Begegnungen: erfahrene Hai-forscher tauchen ohne Käfig-Schutz im freien Wasser mit mehreren Weissen Haien – und werden nicht angegriffen!

Der Mensch gehört eben nicht zum Beutespektrum von Haien – die bevorzugte Beute sind z.B. Robben und Fische. Haie können einen Menschen dann angreifen, wenn er z.B. in ihr Territorium eindringt oder wenn Blut von harpunierten Fischen im Wasser verteilt ist etc. Gezielte Angriffe auf Taucher oder Surfer beruhen eher auf einer fatalen Verwechslung: wer bäuchlings auf einem Surfbrett paddelt, ähnelt aus Sicht des Hais einer Robbe an der Wasseroberfläche – und diese gehört zum Beuteschema. Was genau zu Haiunfällen führt, muss aber von Fall zu Fall betrachtet werden.

Haie sind Opfer des Menschen

Der Mensch dagegen jagt Haie in einer Grössenordnung, die viele Haiarten an den Rand der Ausrottung treibt. Über 70 Haiarten stehen bereits auf der internationalen Roten Liste der IUCN (www.iucnredlist.org).

Nach einer wissenschaftlichen Untersuchung sterben jährlich schätzungsweise 100 Millionen Haie durch die Fischerei. Massenhaft werden Haie allein durch die industrielle Langleinenfischerei auf Thunfisch und Schwertfisch z.B. von der spanischen und portugisischen Fischereiflotte getötet. Spanien gehört zu den drei grössten Haifang-Nationen weltweit. Haiprodukte verstecken sich auch hinter Phantasie-Bezeichnungen, so dass die Verbraucher häufig nicht wissen, was sie wirklich kaufen. Eine beliebte Delikatesse sind «Schillerlocken» – die geräucherten Bauchlappen des gefährdeten Dornhais, der in der Nordsee und im Nordost-Atlantik längst völlig überfischt ist.

Sein Rückenfilet bieten die Fischhändler als «See-Aal» an. Heringshai-Steak (Lamna nasus) läuft auch unter «Kalbsfisch», «Seestör» oder «Karbonadenfisch». Viele grosse Supermärkte und Restaurants haben leider zunehmend Haisteaks im Angebot.

Haie sind Opfer der modernen Fangmethoden mit immer grösseren Netzen und längeren Fangleinen. Früher galten sie oft als «unnützer Beifang», der zum Teil lebend wieder über Bord ging.

Heute werden sie vor allem wegen ihrer sehr lukrativen Flossen gejagt, die in Asien, aber auch in Nordamerika und Europa, als «Delikatesse» gelten. Dazu werden den meist lebenden Haien die Flossen abgeschnitten und die schwer verstümmelten Tiere anschliessend über Bord geworfen, so dass sie langsam und qualvoll sterben. Suppen mit Haiflossen gibt es auch in Deutschland, besonders in Läden mit asiatischen Lebensmitteln und China-Restaurants. Einen Geschmack erhält die knorpelige Haiflossensuppe allerdings nur durch die zugesetzten Gewürze!

Durch die zunehmende Fischerei in bisher unberührten Meeresregionen bis ca. 2’000 Meter Tiefe kommen unzählige Hoch- und Tiefseehaie als «Beifang» um, über deren Biologie niemand etwas genaues weiss. Im Golf von Mexiko ist nach Untersuchungen der Bestand des ehemals weit verbreiteten Weissspitzen-Hochseehais (Carchahinus longimanus) durch die Fischerei um bis zu 99 % zurückgegangen – dies kommt einem Verschwinden, bzw. nahezu einer Ausrottung – gleich ! Nach Meinung von Experten lässt sich bei dieser Hochsee-Haiart der starke Rückgang auch auf andere Meeresgebiete übertragen. Welche Konsequenzen im Ökosystem dies haben wird, kann noch niemand absehen.

Medizinischer Fortschritt durch Haiprodukte?

Das Skelett der Haie besteht nicht aus Knochen, sondern aus Knorpel. Da Haie ein hochent-wickeltes Immunsystem haben, versprechen sich Biomediziner von dessen Erforschung wichtige Erkenntnisse über die Funktion des menschlichen Immunsystems. Hai-Leberöl soll als aktive Substanz in Darm-Medikamenten wirken.

Schwindel mit «Gesundheitsprodukten»

Ein Grossabnehmer für Haiprodukte ist neben der Haiflossenindustrie auch die Pharma- und Kosmetikindustrie: Collagen, Zauberwort für viele «Schönheitscremes», gewinnen Hersteller auch aus Knorpelskeletten unzähliger Haie und Rochen. Die Leber, die bei Haien bis zu 20 Prozent des Körpergewichts ausmachen kann, enthält ein Naturöl, Squalen genannt. Es wird unter anderem für Salben und Cremes verwendet.

Angebliche «Antikrebspillen» aus getrocknetem Haiknorpel finden reissenden Absatz: Krebskranke in den USA und in Europa hoffen auf Hilfe durch diese vollkommen wirkungslosen Präparate. «Ebenso könnten Kurzsichtige versuchen, ihre Sehkraft durch den Verzehr von Adlerfleisch zu stärken», kommentiert Haiforscher und Biochemiker Carl Luer, der an einem Meeres-institut in Florida/USA Haiknorpel untersucht hat.

Einer der Hauptproduzenten von Haiknorpel in Costa Rica verarbeitet nach eigenen Angaben mehre hundert Tonnen Haie pro Monat. Der getrocknete Knorpel wird in die USA und nach Europa exportiert.

Solche Spezialverarbeiter gibt es viele in Mittelamerika. Viele Haie werden gefangen, bevor sie geschlechtsreif sind. Dies führt zu einer stark dezimierten Zahl der ausgewachsenen, fortpflanzungsfähigen Tiere, so dass mangels Nachwuchs ein Zusammenbruch der Bestände droht. Wissenschaftler warnen vor den Folgen für die sensiblen Ökosysteme tropischer Küstenmeere – die auch die Fischer von Speisefischen zu spüren bekommen werden.

Nur wenn die Fischereimethoden so verändert werden, dass die Hai-Bestände nicht mehr gefährdet und für die Zukunft gesichert sind, können Fischer weiter fischen.

Bei Haien ist es wie bei Walen: Sie zeigen den Zustand des Ökosystems. Wenn die Haie verschwinden, werden auch viele andere Arten verschwinden – und die Lebensvielfalt der Meere wird weiter verarmen. Es liegt in der Hand der Menschen – auch in der Hand jedes Einzelnen von uns – dies zu verhindern.

Gefährdung durch internationalen Schutz

Die Hai-Spezialisten-Gruppe (Shark specialist group SSG) der IUCN führt zur Zeit über 1’000 Hai- und Rochenarten (mit Haien eng verwandt) als bedroht auf. Darunter sind z.B. folgende Haiarten:

  • Dornhai (Squalus acanthias)
  • Walhai (Rhincodon typus)
  • Weisser Hai (Carcharodon carcharias)
  • Weissspitzen-Hochseehai (Carcharhinus longimanus)
  • Heringshai (Lamna nasus)
  • Riesenhai (Cetorhinus maximus)
  • Grossflossen- oder Sandbankhai (Carcharhinus plumbeus)
  • Düsterer Hai (Carcharhinus obscurus)
  • Bogenstirn-Hammerhai (Sphyrna lewini)
  • Grosser Hammerhai (Sphyrna mokarran)
  • Glatter Hammerhai (Sphyrna zygaena)

2002 gab es auf der Konferenz des Washingtoner Artenschutzabkommens (WA bzw. CITES) Schutzanträge auf Anhang II für Walhai und Riesenhai: Beide wurden angenommen – ein erster grosser Erfolg.

Auf der CITES-Konferenz 2004 wurde auch der Anhang-II-Antrag für den Weissen Hai bestätigt. Anhang II heisst, der Handel wird international kontrolliert und eingeschränkt, aber nicht komplett unterbunden. 2010 wurden – wie auch 2007 – Schutzanträge für den Dornhai, Weissspitzen-Hochseehai, Heringshai und Bogenstirn-Hammerhai abgelehnt.

Auf der CITES-Konferenz in Bangkok im März 2013 wurden endlich fünf Schutzanträge auf Anhang II für den Weißspitzen-Hochseehai, den Heringshai und drei Hammerhai-Arten angenommen.

Im November 2012 konnte der Haischutz-Dachverband SharkAlliance zusammen mit vielen Einzelorganisationen, darunter auch Greenpeace, einen grossen Erfolg zur Einschränkung des Hai-Finnings erreichen: Die seit 2003 in der EU geltende Finning-Regelung (die faktisch jedoch unwirksam war) wurde von der portugisischen und besonders von der weltweit operierenden spanischen Fischereiflotte missbraucht. Das EU-Parlament hat die Regelung (Verordnung Nr. 605/2013 des EU-Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013) nun so verschärft, dass zukünftig eine echte Kontrolle der Haifänge möglich ist: Das Über-Bord-werfen der Haikörper auf hoher See nach dem Abschneiden der Flossen ist nun generell für alle Fischereischiffe der EU ohne Ausnahme verboten – alle gefangenen Haie müssen komplett angelandet werden. Damit fehlt zukünftig ein erheblicher Anreiz zum massenhaften Haifang.

Greenpeace fordert:

  • Fischart, Fangmethode, Herkunftsland, Fanggebiet und Rückverfolgbarkeit müssen bei allen Fischprodukten eindeutig gekennzeichnet sein.
  • Politik, Fischindustrie und Handel müssen die industrielle Fischerei zu einer ökologisch verträglichen Fischerei verändern, damit auch Haie durch die Fischerei nicht mehr gefährdet werden.
  • Den Verzicht auf Hai-Produkte, bis garantiert werden kann, dass dadurch keine Hai-Bestände oder Hai-Arten bedroht werden.
  • Sofortiger Verzicht auf Produkte von gefährdeten Arten, wie z.B. Dornhai oder Heringshai.

Das können Sie tun:

  • Kaufen Sie grundsätzlich keine aus gefährdeten Tierarten hergestellten Produkte. Dazu gehören auch Hai-Produkte, wie z.B. «Schillerlocken», «Seeaal», «Königsaal», Haisteak und Haifischflossensuppe – ebenso Arzneimittel und Kosmetika, die Hai-Produkte enthalten, beispielsweise Hai-Leberöl.
  • Fragen Sie beim Handel nach, woher die Hai-Produkte kommen und warum diese angeboten werden. Schreiben Sie an den Bundesverband der deutschen Fischwirtschaft und fordern Sie den Verzicht auf Hai-Produkte.

Stand 08/2013 (Autor: Jörg Siepmann)