Kaspar Schuler, Co-Geschäftsleiter Greenpeace Schweiz, aus Kopenhagen |
„Lead or leave.“ So hat ein sowohl erboster wie auch frustrierter Vertreter der Umweltorganisationen die Staatsoberhäupter aufgefordert, heute Nachmittag im Plenarsaal der Klimakonferenz. Allerdings war sozusagen niemand im Raum anwesend, doch immerhin nicht weil sie seinem Aufruf im negativen Sinne sofort Folge leisteten. Sie waren nur ans verspätete Mittagessen gezottelt.
„Führen oder Heimgehen“, gemäss diesem Motto ist die Konferenz am Abend des letzten Tages vollkommen in der Schwebe. Noch sind sie geblieben und versuchen in x verschiedenen Sidemeetings zu einem Durchbruch zu kommen. Allerdings ist es nach wie vor schier unvorstellbar, dass ein substantieller Durchbruch erreicht werden kann:
– Bei den CO2-Reduktionszielen bis 2020 sind die EU-Länder nur dann zur Erhöhung ihrer wissenschaftlich ungenügenden 20% auf etwas bessre 30% bereit, wenn andere Industrieländer sich ähnlich verpflichten. Andere, das sind vor allem die USA. Doch Präsident Obama hat heute zwar staatsmännisch gesprochen, doch ohne irgendeinen konkreten Reduktionsschritt anzkündigen. Es gibt nach wie vor keine amerikanische Verpflichtung zu einer bezifferten Klimagasreduktion.
– Bei den Finanzverpflichtungen der Industrieländer zugunsten der ärmsten Entwicklungsländer gibt es auch keine Bewegung. Zwar sprechen die USA davon, dass sie sich an einem jährlichen, globalen 100-Milliarden Dollar Fonds beteiligen wollen – doch nur, wenn sich allen voran China durch externe Kontrollen in die Bücher der nationalen Klimagasreduktion schauen lässt. Was Wen Jiabao weiterhin unnachgiebig ablehnt.
Wenigstens scheinen für die kurzfristige Finanzhilfe der Jahre 2010 bis 2012 gesamthaft 21 Milliarden Euro bereitzustehen. Doch wie weit das neue Gelder und nicht einfach umgewidmete Entwicklungsgelder und bereits geplante Wirtschaftshilfe ist, bleibt unklar.
Milliardenzahlen mögen zudem nach viel Geld tönen, doch in der Bankenkrise war die Schweiz im Alleingang bereit, umgerechnet rund 40 Milliarden Euro (CHF 60 Milliarden) für die UBS einzuschiessen. Für den Klimaschutz hingegen ist die Schweiz nur bereit, knausrige 100 Millionen Euro (CHF 150 Mio.) jährlich bereitzustellen.
Grundsätzlich beschämend ist, dass jährlich 110 Milliarden Euro nötig wären, um die nötigen Massnahmen in den ärmsten Ländern einzuleiten, ab sofort. Davon ist man jedoch weit entfernt, auch wenn viele Redner – darunter auch die Südkoreaner im Namen der Schweizer Ländergruppe – betonen, dass die heute ausgegebenen Mittel sich volkswirtschaftlich um ein Mehrfaches effizienter und rentabler einsetzen lassen als künftige Notfallmassnahmen zur Milderung der Auswirkungen der Klimaerwärmung.
Im Moment, als ich diesen Blogeintrag beende, kurz vor 18 Uhr des 18.12., ist an der Konferenz keine öffentlich auf Video aufgezeichnete Veranstaltung im Gange. Die StaatschefInnen treffen sich in Hinterzimmern. Wäre das der Beginn der Konferenz, könnte das ein Zeichen von Ernsthaftigkeit sein. Jetzt, am Abend des Schlusstages der Konferenz, wirkt es eher wie ein Zeichen unfokussierter Geschäftigkeit. Nicht unähnlich der dänischen Polizei, die laufend AktivistInnen von der Strasse pflückt und für ein paar Stunden ins Gefängnis steckt. Ist es wirklich der Idealismus, das solidarisch beherzte Engagement, das die Welt gefährdet?