Prozess gegen zwei Walschützer in Japan unter scharfer Beobachtung von UNO und Umweltorganisationen

Prozess gegen zwei Walschützer in Japan unter scharfer Beobachtung von UNO und Umweltorganisationen

 

15.02.2010: Toru Suzuki (links) und Junichi Sato (rechts) zusammen mit ihrem Anwalt vor dem Gerichtsgebäude in Aomori, Japan. © Jeremy Sutton-Hibbert / Greenpeace
15.02.2010: Toru Suzuki (links) und Junichi Sato (rechts) zusammen mit ihrem Anwalt vor dem Gerichtsgebäude in Aomori, Japan. © Jeremy Sutton-Hibbert / Greenpeace

 

Am Montag 15. Februar hat nach einer fast zweijährigen Vorgeschichte in Aomori im Norden Japans der Prozess gegen die zwei Walschützer Junichi Sato und Toru Suzuki begonnen. In dem politisch motivierten Verfahren drohen den beiden Greenpeace-Aktivisten bis zu zehn Jahre Haft

Die Vorgeschichte:

Im Januar 2008 gibt ein ehemaliges Besatzungsmitglied der Walfangflotte Greenpeace den Hinweis, dass die Mannschaften regelmässig grosse Mengen des «zu wissenschaftlichen Zwecken» erbeuteten Walfleischs von Bord schmuggeln und auf eigene Rechnung verkaufen würden.

 

Das Walfangschiff «Nisshin Maru» legt am 15. April in Tokio an und ihre Besatzung geht mit fast 100 Kartons mit verdächtigem «persönlichem Gepäck» von Bord. Der Inhalt der Schachteln ist mit «Pappe», «Gesalzenes» usw. deklariert.

Greenpeace-Aktivisten verfolgen einen der Kartons bis zu einer Lagerhalle in Aomori und nehmen ihn am 16. April sich, um Beweise für den illegalen Walfleischhandel zu sichern. Am 15. Mai enthüllt Greenpeace an einer Pressekonferenz in Tokio den Skandal um die Unterschlagung von Walfleisch, erstattet Strafanzeige gegen zwölf Besatzungsmitglieder der Nisshin Maru und übergibt das Beweismaterial den Behörden.

Am 20. Juni werden Junichi und Toru am frühen Morgen zuhause von zehn Polizisten festgenommen. Gleichzeitig durchsuchen mehr als 70 Polizeibeamte die Büroräume von Greenpeace Japan, beschlagnahmen Computer und zahlreiche Dokumente. Am gleichen Tag verkündet die Staatsanwaltschaft in Tokio, dass die Ermittlungen gegen die Walfänger wegen Unterschlagung eingestellt werden.

Am 15. Juli, nach 26 Tagen Haft – ohne dass ihre Anwälte bei den stundenlangen Verhören anwesend sein durften – kommen Junichi und Toru gegen Kaution frei. Sie dürfen sich aber weder gegenseitig sehen, noch sich mit anderen Greenpeace-Mitarbeitern treffen. Monatelang folgen den beiden zwei zivile Polizisten auf Schritt und Tritt, selbst wenn sie mit Frau und Kind in ein Restaurant essen gehen. Da in Japan bereits als schuldig gilt, wer angeklagt ist (99.8% aller Verfahren enden mit einem Schuldspruch!), und die Anfeindungen durch Nachbarn und andere Dorfbewohner unerträglich wurden, sah sich Junichi und seine Familie gezwungen, in einen anderen Ort zu ziehen.

Der Prozess:

Nach einem Monat Kerkerhaft, vier gerichtlichen Anhörungen, nach 80 Stunden Verhör für Junichi und 120 Stunden für Toru, nach anderthalb Jahren Dauerüberwachung, wird sich diese Woche also das Schicksal der beiden Walschützer entscheiden. In den ersten drei Anhörungen, und trotz einem Einspruch ans Obergericht, wurden alle Zeugen der Verteidigung und alle Entlastungsbeweise von den Richtern zurückgewiesen.

 

 

10.02.2010: Greenpeace Aktivisten protestieren vor der japanischen Botschaft in Bern.  ©Greenpeace / ex-press/Susi Bodmer
10.02.2010: Greenpeace Aktivisten protestieren vor der japanischen Botschaft in Bern. ©Greenpeace / ex-press/Susi Bodmer

 

Im Dezember hatte eine Arbeitsgruppe des UNO-Menschenrechtsrats (UNHRC) die japanische Regierung für das harsche Vorgehen und die übertriebene Anklage gerügt. Die UNO-Arbeitsgruppe stellte in ihrem Bericht fest, dass die beiden Aktivisten «…im Bewusstsein gehandelt hatten, dass ihre Aktivitäten im öffentlichen Interesse seien, da sie nur kriminelle Unterschlagung innerhalb der mit Steuergeldern finanzierten Walfang-Industrie aufzudecken versuchten.» Die Arbeitsgruppe rügte auch, dass die freiwillige Kooperation der beiden Angeklagten mit Polizei und Staatsanwalt von den Justizbehörden nicht gewürdigt worden sei. Zudem habe es die Regierung unterlassen, entlastende Fakten für die beiden Walschützer – zum Beispiel über deren Umweltschutz-Tätigkeiten oder deren zur Aufklärung des Walfleischskandals zusammengetragenen Beweise  – dem Gericht vorzulegen. Die UNO-Arbeitsgruppe kommt zum Schluss: «Das Recht der beiden Umwelt-Aktivisten, ihrer Freiheit nicht willkürlich beraubt zu werden, ihr Recht auf freie Meinungsäusserung, ebenso wie ihr Recht, gewaltlose Aktivitäten ohne Einschüchterung und Belästigungen durchzuführen, ist von der japanischen Justiz nicht respektiert worden.»

Ich habe selber ein Jahr lang in Japan für Greenpeace gearbeitet, ich kenne Junichi sehr gut, und die Vorstellung, er und sein Kollege Toru, die beide kleine Kinder haben, könnten für Jahre hinter Gitter wandern, erfüllt mich mit Entsetzen und Übelkeit. Ich hoffe inbrünstig, dass der Appell der UNO-Arbeitsgruppe und auch die weltweite Unterstützungspetition von über einer Viertelmillion Menschen Wirkung zeigt und die beiden zumindest einen fairen Prozess bekommen, der im Einklang mit internationalen Menschenrechtsvereinbarungen steht und der berücksichtigt, dass die beiden in höherem Interesse gehandelt und den Karton mit Walfleisch nicht zur persönlichen Bereicherung an sich genommen haben. Es kann doch nicht sein, dass zwei Idealisten, die sich für den Schutz bedrohter Tiere einsetzen, zu Schwerkriminellen gestempelt und ins Gefängnis geworfen werden, während Walfänger unter dem Deckmantel «wissenschaftliche Forschung» und finanziert mit Steuergeldern weiterhin jedes Jahr trotz eines weltweiten Walfangverbots, Hunderte von Walen töten und deren Fleisch zum privaten Profit verkaufen.

Stellungnahme der UNO-Arbeitsgruppe (Engl.)

Petition an die japanische Regierung: Gerechtigkeit für die Walschützer!

Mehr zum Walfleisch-Skandal

Dieser Text ist gestern in der Rubrik «Tribüne» der Berner Tageszeitung «Der Bund» erschienen

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