Dieser Text erschien zuerst auf Englisch auf der Website von Greenpeace International.  

Grosse Ölkonzerne wie Energy Transfer und Umweltverschmutzer auf der ganzen Welt haben eine neue Waffe, mit der sie alle zum Schweigen bringen wollen, die sich für eine gerechte, grüne und friedliche Zukunft einsetzen: SLAPP-Klagen. In den letzten Jahren wurden diese «Strategic Lawsuits Against Public Participation» (SLAPP) von Konzernen eingesetzt, um die freie Meinungsäusserung zu unterdrücken und die Macht der Menschen einzuschränken.

Greenpeace USA und Greenpeace International werden in North Dakota, USA, vor Gericht stehen. Sie werden von Energy Transfer – einem in den USA ansässigen Unternehmen für fossile Brennstoffe – auf fast 300 Millionen US-Dollar verklagt. Energy Transfer ist für die Dakota Access Pipeline (DAPL) verantwortlich und die Klage gegen Greenpeace steht in Zusammenhang mit den von Indigenen geführten Protesten im Jahr 2016 in Standing Rock. Mit der Klage wird versucht, die Geschichte der von den Standing Rock Sioux angeführten Bewegung umzuschreiben. Eine Niederlage vor Gericht wäre für Greenpeace USA existenzbedrohend und hätte weitreichende Auswirkungen auf die Umweltschutz-Bewegung in der ganzen Welt haben.

Die SLAPP-Klage von Energy Transfer gegen Greenpeace ist ein entscheidender Test für diese gefährliche juristische Taktik. Wenn sie erfolgreich ist, kann sie in grossem Umfang gegen friedliche Demonstrant:innen und in der Tat gegen alle angewandt werden, die ihre Stimme erheben oder ein umsatzstarkes Unternehmen kritisieren. Werfen wir also einen Blick auf die Vorgeschichte dieser Klage, auf die Bedrohung durch SLAPPs und darauf, warum dieser Fall für uns alle von Bedeutung ist.

Die wahre Geschichte von Standing Rock

Im Jahr 2016 war die Welt gefesselt vom Widerstand des Standing Rock Sioux Stammes gegen die Dakota Access Pipeline (DAPL). Zehntausende Menschen, darunter Angehörige von mehr als 300 Stammesnationen, waren gekommen, um das Wasser zu schützen und sich mit Standing Rock zu solidarisieren. Im Oktober 2016 besuchten Vertreter:innen der Vereinten Nationen Standing Rock und äusserten Bedenken hinsichtlich der Selbstbestimmung der indigenen Völker. Die 2014 von Energy Transfer und seinen Partnern vorgeschlagene Dakota Access Pipeline hätte Rohöl aus dem Bakken-Ölfeld in North Dakota nach Illinois und von dort an die US-Golfküste transportiert. 

Von Anfang an waren die Mitglieder des Standing Rock Sioux Stammes gegen die Pipeline. Der Stammesvorsitzende Dave Archambault stellte die Pipeline in eine historische Perspektive: «Ob Gold aus den Black Hills oder Wasserkraft aus dem Missouri oder Ölpipelines, die unser angestammtes Erbe bedrohen, die Stämme haben immer den Preis für Amerikas Wohlstand bezahlt.»

Ab April 2016 errichteten Stammesmitglieder Gebetslager in der Nähe des geplanten Wasserübergangs, und junge Wasserschützer:innen organisierten einen 500-Meilen-Staffellauf, um einen Brief an das US Army Corps of Engineers (zuständig für die Bewertung und Erteilung von Genehmigungen für alle Wasserdurchquerungen der Pipeline) zu überbringen. Im Juli 2016 reichte Standing Rock eine Klage gegen das US Army Corps ein, um die Genehmigung der Pipeline zu verhindern. Als der Bau der «Schwarzen Schlange» im Sommer und Herbst 2016 immer näher an den Fluss heranrückte, erregten die wachsenden Proteste gegen die Pipeline zunächst nationale und dann weltweite Aufmerksamkeit

Im November 2016 wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Während die Vorgängerregierung von Barack Obama den Antrag von Energy Transfer auf Landzugang für die Pipeline im Dezember 2016 abgelehnt hatte, bestand eine der ersten Amtshandlungen von Trump darin, die Pipeline zu genehmigen. Der CEO von Energy Transfer, Kelcy Warren, hatte kurz zuvor 250’000 US-Dollar für Trumps Amtseinführung gespendet und später 10 Millionen US-Dollar für Trumps Bemühungen zur Wiederwahl 2020 bereitgestellt. Der Bau wurde abgeschlossen und die Pipeline im Juni 2017 in Betrieb genommen.

Obwohl nun Öl floss, war der Kampf des Standing Rock Sioux Stammes noch nicht beendet. Ihre Klage ging weiter, und 2020 wies ein US-Bundesrichter das Armeekorps an, eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung für die Pipeline-Querung durchzuführen. Die Anordnung, die Pipeline stillzulegen, wurde jedoch nicht aufrechterhalten. Heute fordert der Stamm der Standing Rock Sioux immer noch, dass «das Korps die Pipeline stilllegt und eine ordnungsgemässe Umweltverträglichkeitsprüfung durchführt, und nicht eine, die von der fossilen Brennstoffindustrie erstellt wurde».

Protest in Standing Rock (USA) gegen die Dakota Access Pipeline, 2016. © Richard Bluecloud Castaneda / Greenpeace

Energy Transfer will Rache, nicht Gerechtigkeit

Der Kampf gegen die DAPL dauert somit an. Aber die Proteste von 2016 und 2017 in Standing Rock waren ein starkes Zeichen des Widerstands gegen die Macht der Konzerne und haben das Big Oil-Business eindeutig erschüttert. Seit 2016 sind in 18 US-Bundesstaaten weitreichende Gesetze gegen Proteste gegen fossile Brennstoffe erlassen worden. Überall auf der Welt haben enge Beziehungen zwischen Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft und Regierungsvertreter:innen zu zahlreichen Bemühungen geführt, die den Raum für zivilen Widerstand verkleinern und die Konsequenzen für die Beteiligung an friedlichen Protesten verschärfen. 

Und Energy Transfer hat sich an die Gerichte gewandt.

Die ursprüngliche Klage von Energy Transfer aus dem Jahr 2017 – ein wahrhaft wildes Stück kreativen Schreibens, in dem unter anderem behauptet wurde, dass Greenpeace und nicht der Stamm der Standing Rock Sioux oder indigene Wasserschützer:innen die Proteste organisiert hätte – wurde 2019 von einem US-Bundesrichter abgewiesen. Energy Transfer reichte die Klage jedoch erneut vor einem Gericht des Bundesstaates North Dakota ein und brachte dabei viele der gleichen unlauteren Argumente vor. 

In zwei Medieninterviews aus dem Jahr 2017 sprach der CEO von Energy Transfer, Kelcy Warren, über die Beweggründe für die erste Klage. In einem Interview erklärte Warren, dass er «auf jeden Fall» versuche, die Finanzierung von Greenpeace «einzustellen», und in einem anderen liess er verlauten, dass sein «Hauptziel» nicht darin bestehe, Schadenersatz zu erhalten, sondern vielmehr darin, «eine Botschaft zu senden: Das könnt ihr nicht machen, das ist ungesetzlich und wird in den Vereinigten Staaten nicht toleriert».

Die Klage könnte Teil einer koordinierten Anstrengung gewesen sein, um gegen Greenpeace vorzugehen. Dieselbe Anwaltskanzlei, die die Energy-Transfer-Klage eingereicht hat, hatte im Jahr zuvor im Namen von Resolute Forest Products eine ähnliche Klage gegen Greenpeace eingereicht. Greenpeace gewann diese Klage schliesslich im Jahr 2023; der Fall wurde im Jahr 2024 nach fast einem Jahrzehnt Rechtsstreit beigelegt. Die betreffende Kanzlei – Kasowitz Benson Torres, die von einem von Trumps persönlichen Anwälten gegründet wurde – erklärte gegenüber Bloomberg, dass sie «in Kontakt mit anderen Unternehmen» stehe, die Greenpeace verklagen wollten.

SLAPPs vs. Volksmacht

Wie alle SLAPPs ist auch die aktuelle, unbegründete 300-Millionen-US-Dollar-Klage von Energy Transer gegen Greenpeace ein Angriff auf zwei Schlüsselelemente einer freien Zivilgesellschaft: Redefreiheit und friedlicher Protest. Ein schlechtes Urteil in diesem Fall könnte schwerwiegende Folgen für alle haben, die an einer Demonstration teilnehmen oder es wagen, ihre Stimme zu erheben, um ein mächtiges Unternehmen zu kritisieren.

Greenpeace USA veranstaltete im Jahr 2023 in Oakland eine Kundgebung gegen Unternehmen, die versuchen, Kritiker:innen durch Klagen zum Schweigen zu bringen. © Marlena Sloss / Greenpeace

Der Bericht «SLAPPed but not silenced: Defending human rights in the face of legal risks» (Verteidigung der Menschenrechte angesichts rechtlicher Risiken), der 2021 vom Business & Human Rights Resource Center veröffentlicht wurde, dokumentiert 355 Rechtsfälle auf der ganzen Welt, die seit 2015 die Merkmale von SLAPPs aufweisen. Diese Mobbing-Prozesse wurden von Wirtschaftsakteuren gegen Organisationen oder Einzelpersonen und Gruppen angestrengt, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte oder der Umwelt einsetzen. 

Die Klage von Energy Transfer ist ein übler Versuch, Greenpeace zum Schweigen zu bringen, um die Umweltorganisation von ihrer Kampagnenarbeit abzulenken und sie mit langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahren zu zermürben. Trotz dieser missbräuchlichen Klagen wird sich Greenpeace nicht von ihrem Kampf für Umwelt-, Klima- und soziale Gerechtigkeit abbringen lassen. Greenpeace International, die Muttergesellschaft von Greenpeace mit Sitz in den Niederlanden, hat beschlossen, sich das nicht gefallen zu lassen: Sollte Energy Transfer die Klagen gegen Greenpeace International nicht zurückziehen, wird Greenpeace International auf die kürzlich in Kraft getretene EU-Richtlinie gegen SLAPP-Klagen zurückgreifen. Damit wäre sie die allererste NGO, die dieses neue rechtliche Instrument zum Schutz der Meinungsfreiheit einsetzt. 

Unterstütze Greenpeace

Unterschreibe hier, um zu zeigen, dass du an der Seite von Greenpeace bist bei der unbegründeten 300-Millionen-Dollar-Klage von Energy Transfer.

Unterzeichnen


Greenpeace ist Teil der Schweizer Allianz gegen SLAPP


Die im Sommer 2023 gegründete Schweizer Allianz gegen SLAPP (Strategic Lawsuits Against Public Participation) sagt strategischen Gerichtsklagen den Kampf an, die zu einer Einschränkung der freien Meinungsäusserung führen. Wie eine HEKS-Umfrage aus dem Jahr 2022 aufzeigt, werden Schweizer NGOs immer häufiger mit Klagedrohungen und tatsächlichen Klagen konfrontiert, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Umweltverschmutzung recherchieren. Die Schweizer Allianz gegen SLAPP, ein Bündnis aus zahlreichen Organisationen (darunter auch Greenpeace Schweiz) und Verbänden der Zivilgesellschaft und des Journalismus, wehrt sich gegen diesen zunehmenden Trend und will jene unterstützen, die in solche Gerichtsverfahren verwickelt werden. Weitere Informationen: https://www.allianz-gegen-slapp.ch/