Seit 1995 ist das Autobahnnetz in Europa um 30’000 Kilometer gewachsen. Gleichzeitig gibt es immer weniger Bahnstrecken. Das zeigt eine neue Studie von Greenpeace Zentral- und Osteuropa. Und: Auch in der Schweiz sind die Autobahn-Albträume zurück.
Eine neue Studie im Auftrag von Greenpeace Zentral- und Osteuropa zeigt: Seit 1995 haben alle 27 EU-Länder, sowie Norwegen, Grossbritannien und die Schweiz, 66 Prozent mehr Geld für Strassen (1545 Milliarden Euro) ausgegeben als für den Schienenverkehr (931 Milliarden Euro).
Mehr Autobahnen, kleineres Schienennetz
Autobahnen boomen. Seit 1995 sind in Europa über 30’000 Kilometer neue Autobahnen gebaut worden. Das ist ein Plus von 60 Prozent. Gleichzeitig schrumpfte das Schienennetz um 6,5 Prozent oder 15’650 Kilometer.
Fast 2600 Bahnhöfe und Haltestellen wurden vorübergehend oder dauerhaft für den Personenverkehr geschlossen, viele in ländlichen Gegenden.
Diese verkehrte Welt ist stossend, denn der motorisierte Strassenverkehr ist für 72 Prozent der klimaschädlichen Verkehrsemissionen in Europa verantwortlich. Der Schienenverkehr verursacht nur 0,4 Prozent der Verkehrsemissionen.
Herwig Schuster, Verkehrsexperte der europäischen Greenpeace-Kampagne «Mobilität für alle», sagt: «Europa hat sein regionales und lokales Schienennetz in den vergangenen drei Jahrzehnten systematisch ausgeblutet. Die Folgen: Die Emissionen des Strassenverkehrs steigen. Millionen von Menschen in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Geld muss in den Schienenverkehr fliessen und nicht in den Strassenbau. Und: Es braucht erschwingliche ‘Klimatickets’ für inländische und grenzüberschreitende Reisen – auch in der Schweiz.»
Schweiz: «Neue Strassen sind das falsche Signal»
Für die Schiene beliefen sich in der Schweiz die Pro-Kopf-Ausgaben auf 6799 Euro. Das ist so hoch wie in keinem anderen Land in Europa. Zum Vergleich: Frankreich investierte 2013 Euro, Deutschland 1584 Euro.
Noch mehr Geld als für die Schiene gab es in der Schweiz für neue Strassen: Zwischen 1995 und 2018 betrugen die kumulierten Pro-Kopf-Ausgaben 8560 Euro. Das sind europaweit die zweithöchsten Ausgaben. Nur in Norwegen waren sie mit 9267 Euro noch höher. Zum Vergleich: In Deutschland lagen die Ausgaben bei 3337 Euro, in Frankreich bei 4304 Euro.
Seit 1995 sind in der Schweiz 347 Kilometer Autobahnen (4-spurig und mehr) dazugekommen, ein Plus von 29 Prozent.
Geht es nach dem Willen des Parlaments, ist das längst nicht alles. National- und Ständerat haben 5,3 Milliarden Franken für neue Autobahnen bewilligt. Der Nationalrat hat kürzlich dem Ausbau der A1 zwischen Bern-Zürich und Lausanne-Genf auf «mindestens sechs Spuren» zugestimmt – ganz im Sinne von Verkehrsminister Albert Rösti.
Georg Klinger, Klima- und Energieexperte von Greenpeace Schweiz, sagt: «Neue Strassen sind das falsche Signal. Der öffentliche Verkehr verbraucht deutlich weniger Ressourcen.»
Anmerkung
(1) Die Daten stammen hauptsächlich aus öffentlichen Quellen, darunter Eurostat, ITF-OECD, Weltbank und das Statistical Pocketbook der Europäischen Kommission, sowie von Eisenbahnunternehmen. Die Studie berücksichtigt stets die neuesten verfügbaren Daten, die einen europäischen Vergleich ermöglichen. Aktuelle Daten zu den Investitionen (in Euro) in die Verkehrsinfrastruktur sind fast immer bis 2018 und für zwei Drittel der Länder sogar bis 2021 verfügbar. Daten über den Ausbau und die Stilllegung von Verkehrsinfrastrukturen sind für die meisten Länder bis 2022, in einigen Fällen sogar bis 2023 verfügbar.
Weitere Informationen
- Greenpeace-Studie «Development of Transport Infrastructure in Europe: Exploring the shrinking and expansion of railways, motorways and airports»
- Länder-Zusammenfassung/Factsheet (Englisch)
Kontakte
Herwig Schuster, Verkehrsexperte der europäischen Mobilitätskampagne «Mobility for All» von Greenpeace Mittel- und Osteuropa, [email protected], 0043 664 431 92 14
Marianne Lämmel, Kommunikationsleiterin der europäischen Mobilitätskampagne «Mobility for All» von Greenpeace Mittel- und Osteuropa, [email protected], 0043 664 881 72 245
Frederic Rudolph, leitender Forscher des Studie, steht für Interviews in EN und DE zur Verfügung. Kontaktdaten auf Anfrage.
Georg Klingler, Klima- und Energieexperte Greenpeace Schweiz, 079 785 07 38, [email protected]
Roland Gysin, Mediensprecher Greenpeace Schweiz, 044 447 41 17, [email protected]