Mikroplastik besteht aus Kunststoffpartikeln, die formfest, nicht löslich und kleiner sind als fünf Millimeter. Die Kosmetikindustrie verwendet auch quellende oder teilweise lösliche synthetische Kunststoffe (Haargel, Shampoo etc.). Unter dem Begriff «Mikroplastik» versteht Greenpeace sämtliche, auch langlebige, giftige und/oder bioakkumulierende synthetische Polymere – ob fest, flüssig oder wachsartig.

Dabei gibt es primäre und sekundäre Partikel: Primäre Partikel sind schon in dieser Form produziert worden. Sie bestimmen die Eigenschaften eines Produkts oder dienen als Granulat zur Herstellung von Kunststoff. Sekundäre Partikel entstehen im Verwitterungs­prozess aus grösseren Teilen wie Plastiktüten oder -flaschen, Kunststoffbojen oder Netzen durch Sonneneinstrahlung und mechanische Reibung.

Plastikpartikel für Haut und Haar

Plastikpartikel in Peelings sollen unsere Haut «weichschmirgeln» und schwaches Bindegewebe straffen, Phthalate im Shampoo sorgen für eine angenehme Konsistenz und in Gesichtscremes fungieren Kunststoffe als Bindemittel, um ein gutes Hautgefühl zu erzeugen. Haarsprays und Gels halten Sturmfrisuren mit Kunststoffen aufrecht. Im Badeschaum für Kinder glitzern Plastikpartikel. Wir schmieren uns von oben bis unten mit Plastik ein und spülen es dann ins Abwasser. Zu klein, um von Kläranlagen herausgefiltert zu werden, gelangen die Partikel in die Binnengewässer, ins Meer und mit dem Klärschlamm auf die Äcker. Mikroplastik ist biologisch nicht abbaubar: Es wird immer mehr und nie weniger. Mittlerweile befinden sich Rückstände von Kunststoffpartikeln aus der Kosmetikindustrie überall – in den Meeren, in den Gewässern und an Land.

Fasern in synthetischen Kleidern

Mehr als ein Drittel der Mikroplastikpartikel im Meer geht auf synthetische Textilien zurück. Sie werden beim Waschen aus synthetischer Kleidung herausgelöst. Paradoxerweise trägt ausgerechnet diejenige Kleidung zur Umweltbelastung bei, die maximale Nähe zur Natur verspricht: Outdoor- und Wanderkleidung, Fleecejacken, T-Shirts und Travel-Handtücher aus Mikrofasern. Sie sind leicht im Gewicht, einfach zu pflegen und geben warm. Wir stecken die Jacken zur Reinigung in die Waschmaschine und drücken auf den Knopf. Dabei – das zeigt eine Studie der britischen Plymouth University – geben rein synthetische Textilien in einem Waschgang bis zu 730 000 Mikrofasern ab. Wind- und Wetterkleidung weniger zu waschen, ist schon mal ein guter Ansatz. Aber auch elastische Sockenbündchen, Baumwollgemische oder Viskosestoffe für Mützen, Schals und Wollpullover sind oft mit Acrylfasern versetzt. Waschtemperatur und Waschmittel spielen bei der Auslösung der Fasern keine Rolle. Mit Weichspüler dagegen lösen sich tendenziell mehr Fasern.

Mengenmässig überwiegt zwar die Verschmutzung der Meere und Gewässer durch Plastikflaschen und ihre sekundären Mikropartikel. Doch auch Textilfasern sind schädlich. Da gängige Waschmaschinen es nicht schaffen, die Fasern zurückzuhalten, hat das Berliner Unternehmen Langbrett eine Lösung entwickelt. Der «Guppyfriend-Waschbeutel» hält Mikrofasern zurück, die nach der Wäsche über den Restmüll entsorgt werden können. Der Waschbeutel fängt Plastikfasern zwar direkt ein, aber langfristig kann das keine Lösung sein: Wir werden unser Konsumverhalten und unsere Herstellerprozesse ändern müssen. Zu Mikroplastik-Kosmetikprodukten gibt es ebenfalls gute Alternativen, wie Waschen mit Efeu, die Feuchttücher für den Babypo selber zu machen, Shampoosteine oder Haarspülungen aus Kaffee.

Mikroplastik stillt den Hunger

Im Meer bieten die Eigenschaften von Kunststoff ideale Bedingungen für die Bindung von Giftstoffen und Pathogenen. Dazu kommt, dass Kunststoffpartikel bereits im Herstellungsprozess mit Schadstoffen angereichert sind. Es ist kein Zufall, dass die Schadstoffkonzentration von Mikroplastikpartikeln deswegen im Meerwasser oft deutlich höher ist als im Herstellungsprozess selbst.  Zooplankton nimmt die Mikroplastikpartikel als vermeintliche Nahrung auf und reichert so auch die angehefteten Giftstoffe an. Am Ende der Nahrungskette stehen Grossfische und Meeressäuger – und ganz am Ende wir. Wer sich für ein Gericht mit 300 Gramm Muscheln entscheidet, verspeist 300 Plastikteilchen. Als «Plastikplankton» lagern sich die Kunststoffpartikel ausserdem in den Mägen von Walen oder Heringen an. Dort verursachen sie nicht nur Verletzungen und Entzündungen im Verdauungstrakt, sie hemmen auch das Hungergefühl der Tiere. Als Folge nehmen sie überlebenswichtige Nährstoffe nicht mehr ausreichend zu sich.

Die Politik als Weichspüler

Eine einheitliche offizielle Definition von Mikroplastik fehlt bis heute. Solange dies so bleibt, legen die Hersteller fest, was sie darunter verstehen. Das sind meist nur feste Plastikteilchen, nicht aber flüssige, wachs- und gelartige Kunststoffe. Zudem verweigern die Hersteller den Plastik-Ausstieg aus «Leave-on-Produkten», die nicht gleich wieder abgewaschen werden, wie Shampoo oder Duschgel (Rinse off). Dazu gehören Cremes, Lotions, Make-ups, Lippenstifte oder Haarspray. Auch in der Schweiz sieht man wenig Handlungsbedarf. Der Bundesrat stuft die Gefahr von Mikroplastik als vergleichsweise gering ein und lehnte damit ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten vorläufig ab.

Auch für Kleidung müssten einheitliche Spielregeln geschaffen werden. Es ist langfristig nicht sinnvoll, aus PET-Flaschen Fleecejacken herzustellen und diese in Form von Mikropartikeln ins Meer zu spülen. Was es braucht, sind Änderungen bei den Herstellungsverfahren und Weiterentwicklungen der Filtersysteme.

Plastic check-out – right now!

In über 640 kosmetischen Produkten hat der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Mikroplastik gefunden – darunter auch Pflegeprodukte für Babys und Kinder. Die Länge der Liste ist erschreckend – ein Blick in den Badezimmerschrank ist nichts für Feiglinge.

Eine Reihe namhafter Kosmetikhersteller, darunter auch The Body Shop und Yves Rocher, die sich mit Umschreibungen wie «inspired by nature» oder «Pflanzen-Kosmetik» schmücken, müssen sich für ihre Produkte verantworten. Ein bekannter Name ist ebenso wenig Garant für plastikfreie Kosmetik wie teuer oder exklusiv zu sein. Einzig bei der Zahnpasta verzichten die Hersteller seit 2014 auf Mikroplastik als Schmirgelstoff gegen Zahnbelag.

Weiterführende Informationen

Links

Der Bund für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland stellt einen Einkaufsratgeber zur Verfügung. Eine Liste führt namhafte Hersteller und ihre Plastiksünden auf. Die Liste wird laufend ergänzt und aktualisiert.
Zum Thema Mikrofaser informiert die Schweizer Empa aktuell in ihrem Blog Mikroplastik aus der Waschmaschine.

Eine Checkliste von Greenpeace Deutschland hilft, Mikroplastik in Kosmetik zu enttarnen und zu vermeiden.

Apps

Mit der App codecheck lässt sich im Geschäft durch Scannen des Barcodes eine Aufstellung aller Inhaltsstoffe abrufen. Zudem erhält man eine Beurteilung über die Bedenklichkeit der Inhaltsstoffe.

Beat the Microbead erkennt über den Barcode Produkte, in denen Mikroplastikpartikel enthalten sind, und knüpft an eine weltweite Kampagne an.

Eine Zusammenstellung der wichtigsten Begriffe

Kasten auf Seite 2 „Gängige Kunststoffe in Kosmetik und Körperpflegeprodukten“

Der WDR hat auf seiner HP noch Nylon-6 und Nylon-12 aufgeführt.

Blogs

Zahlreiche Blogs helfen, Schritt für Schritt vom Leben mit (Mikro-)Plastik wegzukommen. Der Blog von Frau Schubert begleitet ihr Buch «Besser leben ohne Plastik» und ist voller selbst erprobter Tipps. Frau Schubert bringt diesen Herbst ihr zweites Buch heraus («Noch besser leben ohne Plastik»). Darin dreht sich alles um das gefährliche Mikroplastik. Ebenfalls prall gefüllt ist der Blog Wastelandrebel. Unkomplizierte Zero-Waste-Lösungen werden hier fantasievoll zusammengefasst.

Serie 1

Ein Leben ohne Plastik: Pragmatisch und gezielt gehen Anneliese Bunk und Nadine Schubert auf das Problem zu: «Kauen Sie gerne auf Plastik? Sicher nicht, oder?» Dann schlagen sie Alternativen vor. Denn Kaugummi ist genau das, was es nicht sein soll: Plastik. Ohne missionarischen Unterton erklären die Frauen, wie sie schrittweise alles Plastik aus ihrem Alltag verbannt haben. Geht nicht? Geht wohl. Ihre Erkenntnisse haben Bunk und Schubert in ihrem Buch «Besser leben ohne Plastik» zusammengefasst. Selbstverständlich plastikfrei gedruckt.

Serie 2

Eine sehr persönliche und künstlerische Umsetzung ist das Projekt des Fotografen Fabrice Monteiro. Bis zu seinem 18. Lebensjahr ist der leidenschaftliche Surfer in Senegal aufgewachsen. Als er 20 Jahre später zurückkehrt, erkennt er Senegal nicht wieder. «In manchen Gegenden sind die Bäume nicht mehr grün. Sie sind schwarz – bis zur Unkenntlichkeit behängt mit schwarzen Plastiksäcken.» Mit dem afrikanischen Designer Jah Gal beginnt er, die Plastikverschmutzung zu dokumentieren. Entstanden ist «The Prophecy», eine Fotostory, deren Making-of man sich hier anschauen kann.

Serie 3

Bei der Serie 3 handelt es sich um den Artikel, den Sie soeben gelesen haben.

Serie 4

Weniger künstlerisch, aber mindestens so bildgewaltig kommt der Film des Regisseurs Craig Leeson «A Plastic Ocean» daher. Auch hier steht ein persönlicher Bezug zum Meer und zu seiner Verletzlichkeit am Anfang einer rund vier Jahre dauernden Dokumentation durch alle Ozeane der Erde.

Serie 5

Max Liboiron vereint in ihren Arbeiten Grassroots, Feminismus und Wissenschaft und hat ein ausschliesslich von Frauen besetztes Institut der Meereswissenschaften aufgebaut. Hier beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen mit den Auswirkungen von Plastik in den Meeren. Unsere Autorin und Wissenschaftlerin Bettina Wurche hat die Selfmadefrau interviewt. Entstanden ist ein interessantes Gespräch zwischen zwei spannenden Wissenschaftlerinnen.